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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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mit trockenem, sich kratzig anfühlendem Sauerstoff füllte. Joshua geriet in Panik, wollte selbst atmen, ein Schlucken, ein Reflex, der von dem Plastikschlauch nicht geduldet wurde und ihm das Gefühl gab, er müßte ersticken.
     
    „Er ist wach.“
     
    Es war eine weibliche Stimme, eine beruhigende und sanfte Stimme, die ihn an seine Mutter erinnerte. Eine Hand legte sich auf seine Stirn, beruhigte ihn und zog dann den Plastikschlauch aus dem Mund. Joshua stöhnte, versuchte zu schlucken, stellte fest, daß er es immer noch nicht konnte und hustete. Jede Bewegung entflammte Schmerzen in seinem Brustkorb.
     
    „Wo…“ Seine Stimme versagte ihm, aber die Frau an seinem Bett schüttelte den Kopf. Es war eine Krankenschwester. Die weiße, einfache Tracht paßte als Kontrast zu der perfekten, ebenholzschwarzen Haut der Frau. Ihre Augen hatten ein dunkles Braun, fast ebenso dunkel wie die Farbe ihrer Haut. Wenn sie lächelte, dann enthüllte sie perfekt geformte, weiße Zähne.
     
    „Sprich nicht. Es würde dir nur wehtun. Du bist im George Washington Hospital. Mein Name ist Schwester Battista. Roberta Battista.“ Sie zeigte auf den Anstecker aus schwarzer Emaille, der an ihrer Brust befestigt war und auf dem mit weißer Farbe ihr Name eingeritzt worden war. „Du kannst mich Bobbie nennen. Erinnerst du dich daran, was passiert ist?“
     
    Joshua schüttelte den Kopf. Etwas mit seinem Vater. Etwas mit seinem….
     
    Nein.
     
    „Du hast einen bösen Unfall gehabt. Dein Vater sagte uns, du wärst die Treppe heruntergestürzt.“ Ihr Tonfall zeigte sehr genau, was sie von dieser Erklärungsmöglichkeit hielt. Sie rümpfte die Nase. „Dabei hast du dir die Nase gebrochen, zwei Rippen…und einen ziemlich schweren Oberschenkelbruch. Kannst du dich daran erinnern?“
     
    Joshua erinnerte sich an einen betrunkenen Troll. Er schüttelte den Kopf. Nein.
     
    Bobbie nickte. „Ist schon okay. Du hast außerdem noch eine schwere Gehirnerschütterung. Dein Verstand wird wahrscheinlich momentan mit dir Achterbahn fahren, richtig?“
     
    Sie schüttelte die Bettdecke etwas auf, strich ihm über die Wange, eine sanfte Berührung, die Joshua trotzdem unterdrückt keuchen ließ.
     
    „Schlaf erstmal. Ich schicke später einen Arzt vorbei, okay?“
     
    Joshua nickte. Okay.
     
    Joshua blieb den ganzen November und die erste Hälfte des Dezembers im George Washington. Am 16. Dezember, am frühen Morgen, entließen ihn die Ärzte. Keiner der behandelnden Ärzte, keiner vom Krankenhauspersonal hatte die Geschichte mit dem Unfall geglaubt. Bei den Untersuchungen waren ihnen frühere Knochenbrüche, Verstauchungen und Prellungen aufgefallen, die nur einen Schluß zuließen: Joshua Dannerman hatte eine lange Geschichte als mißhandeltes Kind. Das Jugendamt wurde eingeschaltet, um die Angelegenheit zu überprüfen. Eine Sozialarbeiterin hatte drei Gespräche mit Harold Dannerman. Beim zweiten Gespräch hatte Joshuas Vater zugegeben, daß er seinen Sohn früher häufiger geschlagen hatte, stritt aber weiterhin ab, daß er für die Verletzungen Joshuas verantwortlich wäre.
     
    „Es war ein verdammter Unfall, wissense, Miss“, hatte er auf die Frage geantwortet. „Glaubense sonst im Ernst, ich hätte ihn ins Krankenhaus gebracht? Müßte schön dumm sein, um das zu tun.“
     
    „Vielleicht sind Sie klüger, als wir es glauben. Wenn Ihr Sohn gestorben wäre, dann müßte man Sie wegen Mord anklagen.“
     
    Dannerman hatte nur verächtlich geschnaubt. Die Befragungen Joshuas hatten wenig Brauchbares zu Tage gefördert. Ja, auch er gab zu, daß sein Vater ihn früher häufiger geschlagen hatte, aber das „ist schon sehr lange her“, wie Joshua mit einem Schulterzucken meinte.
     
    „Wie lange?“ fragte die Sozialarbeiterin.
     
    „Vier oder fünf Jahre. Ich war ein ziemlich schwieriges Kind, nachdem meine Mom gestorben war. Mein Vater hatte es nicht einfach mit mir. Ich glaube, ich habe die meisten dieser Schläge verdient.“
     
    Joshua bestand darauf, daß er sich nicht an den Unfall erinnern könnte. Die Ärzte glaubten es ihm. Er hatte eine böse Gehirnerschütterung gehabt. Es sei durchaus möglich, daß das traumatische Ereignis, das diese Gehirnerschütterung nach sich zog, zu einer Verdrängung oder zu einem teilweisen Gedächtnisverlust führte.
     
    Aber Joshua erinnerte sich. Erinnerte sich an jede Einzelheit, an jeden Schmerz, an den verzerrten Gesichtsausdruck, den er bei seinem Vater gesehen hatte. Und

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