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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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in ihn hineinbohrten. Er schloß die Augen und atmete durch. Es war kalt, selbst nach New Yorker Verhältnissen und er fror. An seiner Seite hing ein halb abgerissenes Plakat für Time Magazine. Joe wußte, daß es ein Traum war. Vergangenheit. Lange vorbei. Nur Erinnerungen.
     
    In der hintersten Ecke seines Verstandes hörte er eine dünne Stimme, die ihm das erzählte, aber er konnte nichts tun, selbst jetzt, wo er genau wußte, was passieren würde, wo er genau wußte, daß dieser Traum genauso ablief wie die anderen, die er in den vergangenen drei Monaten immer wieder einmal gehabt hatte.
     
    Er konnte nichts tun.
     
    Sein Funkgerät klickte wieder.
     
    „Kovacs“, meinte eine dunkle, rauhe Stimme.
     
    „Hier ist Kovacs.“
     
    „Wo zum Teufel sind die zwei Millionen, hm? Ich habe langsam das Gefühl, Sie wollen, daß die Leute hier sterben. Wollen Sie das, Lieutnant? “
     
    Joe lief ein Schauer über den Rücken, der nichts mit der Kälte zu tun hatte, die um ihn herum herrschte.
     
    „Vielleicht“, antwortete er dann und hoffte, daß das kleine Zittern in seiner Stimme durch die Statik in der Funkübertragung weggenommen werden würde. „Vielleicht ist mir scheißegal, was aus den Leuten passiert. Schließlich ist die New Yorker U-Bahn sowieso nicht gerade das sicherste Beförderungsmittel der Stadt.“
     
    Mit einer knappen Kopfbewegung deutete er einem Polizisten auf der anderen Seite der Treppe an, daß er zu ihm runterkommen sollte. „Da muß man schon kleinere Risiken schon in Kauf nehmen.“
     
    Der Polizist neben ihm schob die Waffe in seinen Gürtel und blinzelte ihn an. Joe ließ den Sprachknopf seines Funkgeräts los und wandte sich an den Mann.
     
    „Wo ist das Geld?“
     
    Der Officer schüttelte den Kopf.
     
    „Die Stadt wird nicht verhandeln, Lieutnant. Das ist der Befehl direkt aus dem  Büro des Bürgermeisters. Wir haben die Anweisung, den Bahnhof und den U-Bahn-Wagon zu stürmen.“
     
    Joe schüttelte den Kopf.
     
    In seinem Verstand flüsterte die Stimme.
     
    Es ist nur ein Traum.
     
    Es hörte sich beinahe an wie ein weit entferntes Klingeln, beinahe wie ein Telefon, aber Joe achtete nicht darauf, sondern unterdrückte diese Gedanken.
     
    „Scheiße“, meinte er.
     
    Sein Funkgerät meldete sich wieder.
     
    „Wie haben Kinder hier in dem Wagen, Lieutnant. Das sollten Sie wissen. Der kleinste Junge ist gerade einmal zwei Jahre alt. Zwei Jahre. Überlegen Sie es sich. Sein Name ist Tommy. Sag dem Onkel von der Polizei ‚Guten Tag‘, Tommy.“
     
    Aus dem kleinen Lautsprecher drang eine ängstliche, piepsige Stimme, die mit hohem Ton in ein leises Weinen ausbrach. Joe hatte das Gefühl, etwas in seinem Herz müßte zersplittern. In seinen Augenwinkeln wurde es feucht.
     
    „Wir werden Georgie in exakt fünf Minuten erschießen, Lieutnant Kovacs.“
     
    In Joes Kopf klingelte es immer lauter.
     
    „Wenn wir das Geld in zehn Minuten nicht haben, dann erlebt Janet Ihren siebten Geburtstag nicht mehr. Nach 15 Minuten ist der kleine Michael tot. Ich hab‘s mir einmal ausgerechnet, Lieutnant Kovacs. Wir haben fast drei Stunden Zeit, um dieses Spiel zu spielen. Ich habe genügend Zeit, ich habe genügend Kugeln.“
     
    Joe schmetterte das Funkgerät gegen die Kachelwand hinter ihm. Der Plastikapparat zersplitterte sofort. Kleine Stücke bohrten sich seine Handfläche, zerschnitten ihm die obersten Schichten seiner Haut, waren aber nicht mehr als kleine Stiche, die er gar nicht zur Kenntnis nahm.
     
    „Wir können die Station nicht stürmen“, flüsterte er sich selbst zu. „Welches Arschloch hat den Leuten in der Stadtverwaltung gesagt, wir könnten…“
     
    Ein Schuß zerriß die Stille.
     
    Ein weiterer folgte nur einen Sekundenbruchteil später, dann die erste Salve eines M16 Gewehrs. Stimmengewirr, Schreie.
     
    „Wer hat geschossen?“ schrie Joe in dem entstehenden Chaos, noch im selben Moment, als er sich auf die Treppenstufen sacken ließ, die .45 Automatic aus seinem Holster gerissen hatte und runter in den Bahnhof spähte.
     
    Hinter ihm waren die anderen Polizisten auch in Stellung gegangen.
     
    „Wer zum Teufel schießt hier? Wer hat den gottverdammten Befehl gegeben?“
     
    Weitere Salven.
     
    Jemand starb da unten.
     
    17 Menschen sterben da unten, Joe , erklärte die Stimme in seinem Verstand mit Bestimmtheit, das weißt du ganz genau. Darunter der kleine Georgie, Janet und ihre Eltern. Der kleine Georgie wird kein Gesicht

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