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Liverpool Street

Liverpool Street

Titel: Liverpool Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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glücklich sie gewesen sein musste, als sie ihn geschrieben hatte, und ich sehnte mich danach, dass etwas von Mamu und ihrem Glück auch mich ansteckte. Ich nahm den Brief und ging die Treppe hinunter, auf der Suche nach Trost.
    Amanda saß mit einer Dame im Wohnzimmer, ich hörte ihre Stimmen vom Flur aus und zögerte, hineinzugehen, aber sie hatten mich schon gehört.
    »Frances? Kommst du mal …?«
    So kerzengerade, wie Amanda der Dame gegenübersaß, konnte es sich um keinen sehr angenehmen Besuch handeln.
    »Hallo, Franziska«, begrüßte mich die Dame. »Ich bin Mrs Lewis vom Flüchtlingskomitee.«
    »Guten Morgen«, antwortete ich, überrascht, dass das Komitee seine Besuche unangekündigt an den Vormittagen machte, denn normalerweise wäre ich jetzt in der Schule gewesen.
    »Du siehst aber blass aus«, meinte Mrs Lewis. »Geht es dir gut?«
    »Frances hat heute einen Brief von ihren Eltern bekommen. Sie sind nach Holland geflüchtet«, sagte Amanda nervös. »Aber sonst geht es dir gut, nicht wahr, Frances?«
    Ich schwieg verdutzt.
    »Es gibt da ein kleines Missverständnis«, fuhr sie fort. »Mrs Lewis glaubt, du hättest jeden Nachmittag, anstatt zur Schule zu gehen, an fremden Häusern geklingelt, um nach Arbeit für deine Eltern zu fragen. Ich habe ihr schon gesagt, dass es sich um ein anderes Mädchen handeln muss.«
    Sie sah mich an. Bitte sag, dass es sich um ein anderes Mädchen handelt! , stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    »Es war nicht jeden Nachmittag«, flüsterte ich.
    Diese falsche Schlange Mrs March! Sie hatte nicht Amanda angerufen, sie war mit ihrer Nachricht geradewegs zum Komitee gerannt!
    Meine Pflegemutter versteinerte vor meinen Augen. »Es waren nur ein paar Wochen im März und die letzten drei Tage!«, rief ich verzweifelt. »Ich konnte es dir nicht sagen, weil …«
    »Wieso hat man in der Schule nichts bemerkt?«, fragte Mrs Lewis streng.
    »Ich gehe doch gar nicht richtig zur Schule«, verteidigte ich mich. »Bis zu den Sommerferien haben sie mich in die erste Klasse gesteckt und ich helfe ein bisschen mit den Kleinen, aber der Lehrer hat nichts dagegen, wenn ich früher gehe.« Ich sah wieder zu Amanda hin, die dazu übergegangen war, tief ein- und auszuatmen. »Ich konnte es dir einfach nicht sagen«, wiederholte ich kläglich. »Erst, weil ich dich nicht kannte. Dann, weil es zu spät war.«
    »War das das Geheimnis?«
    Ich nickte. »Siehst du!«, rief ich eifrig. »Ich wollte es dir ja erzählen!«
    »Und ich wollte es nicht wissen, also hast du weitergemacht?«
    »Nicht sofort.« Ich setzte mich zu ihr auf die Sessellehne. »Ich war so müde. Ich wollte erst mal bei dir bleiben«, sagte ich leise.
    Amanda sank gegen meinen Arm. »Wenn Sie mir Frances wegnehmen wollen, werde ich mit ihr untertauchen müssen«, sagte sie matt zu Mrs Lewis.
    »Wegnehmen!« Ich erschrak.
    Mrs Lewis lächelte beruhigend. »Ich denke, das wird nicht nötig sein. Du bist nicht die Einzige, die auf diese Weise versucht, etwas für ihre Eltern zu tun, Franziska. Aber keine Heimlichkeiten mehr, haben wir uns verstanden? Deine Eltern in Deutschland verlassen sich darauf, dass wir auf dich achtgeben.«
    »Meine Eltern in Holland«, verbesserte ich und merkte überrascht, wie gut das klang.
    Amanda begleitete Mrs Lewis zur Tür. Ich hatte keine Ahnung, wie bald wir wieder von ihr hören sollten. Ich freute mich noch, als sie zum Schluss zu mir sagte: »Übrigens, dein Englisch ist doch ganz exzellent!«
    Als Amanda zurückkam, saß ich immer noch auf der Sessellehne und strahlte sie an. »Klartext«, sagte sie streng. »War das alles an Geheimnissen?«
    »Well«, druckste ich, »da wären noch die Besuche bei Professor Schueler …«
    »Oh Frances.«
    »… aber nur einmal die Woche und auch nicht bei ihm zu Hause, sondern im Café Vienna in der Tottenham Court Road«, wiegelte ich hastig ab.
    »Moment. Du willst sagen, du fährst regelmäßig in die Stadt in einen Pub, ohne dass ich etwas davon bemerkt habe?«
    »Immer montags«, bestätigte ich wesentlich leiser. »Da bist du …«
    »Im Altenheim.« Amanda verschränkte die Arme, atmete noch einmal durch und sagte aus tiefster Seele: »Good grief!« , was schwer ins Deutsche zu übersetzen ist.
    »Es ist auch eigentlich kein Pub, sondern ein Café«, beeilte ich mich hinzuzufügen.
    Amanda ergriff meine Arme und schüttelte mich. »Frances, ich habe dir vertraut!«
    »Es tut mir leid!« Erst jetzt wurde mir klar, was soeben passiert

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