Liz Balfour
Mitinteressenten durchgesetzt, und seither versuchten wir, sie so perfekt wie möglich einzurichten. Wir waren immer noch nicht richtig fertig. In jedem Zimmer gab es noch etwas zu tun. Die Böden waren schon alle abgezogen und versiegelt, die Wände gestrichen, aber wir probierten noch mit Möbeln und Lampen herum, mit Teppichen und Bildern. Die Küche hatten wir vor zwei Wochen erst wieder umstreichen lassen, weil das leuchtende Gelb, das Benjamin ausgesucht hatte, doch nicht so wirkte wie gehofft. Nun war sie blau gestrichen – meine Wahl – und sah großartig aus, was Benjamin nie für möglich gehalten hatte. So viel Liebe steckte in jedem Detail, so viel Zeit. Diese Wohnung war unser gemeinsames »Projekt«. Wir widmeten ihr unsere freie Zeit und wollten ihr Charakter verleihen. Wir wollten uns in ihr wiederfinden und wohlfühlen, in ihr leben und lieben. Sie sollte ein perfektes Zuhause sein.
Wir genossen diesen Ort viel zu wenig. Wir sagten uns immer: »Irgendwann machen wir mal Urlaub in unserer Wohnung.« Es war noch nicht dazu gekommen, aber eines Tages würden wir so weit sein.
Ich musste mich fragen, ob ich bereit war, dieses Leben aufzugeben. Hatte ich nicht noch so viele Pläne, die ich umsetzen wollte? Ich würde diese Wohnung verlieren, und ich müsste beruflich mehr oder weniger von vorne anfangen. Ich hätte meinen über die Jahre gewachsenen Freundeskreis nicht mehr. Und wäre es nicht so, dass ich die letzten zwanzig Jahre meines Lebens über Bord werfen würde? Hieße es nicht, dass meine Ausbildung umsonst
war? Dass mich Deirdre gar nicht nach England hätte schicken müssen?
Ich tat etwas, das ich schon lange nicht mehr getan hatte. Ich rief Siobhan an. Natürlich weckte ich sie, ich hatte nicht daran gedacht, wie viel früher es bei ihr war. Aber sie wollte nicht, dass ich auflegte, sie freute sich viel zu sehr über meinen Anruf, und ich ärgerte mich, dass ich mich so selten bei ihr meldete. Öfter noch als bei Deirdre, schoss es mir durch den Kopf. Ich fiel gleich mit der Tür ins Haus und erzählte ihr von Deirdre. Siobhan war schrecklich aufgelöst und bot an, sofort zu kommen, um mir zur Seite zu stehen, aber ich lehnte ab.
»Das ist ganz lieb von dir«, sagte ich. »Aber das musst du wirklich nicht.«
»Irgendwas muss ich doch tun! Sag mir, was ich für dich tun kann«, bat sie.
»Siobhan, es ist so viel geschehen in den letzten Tagen, ich … ich glaube, ich brauche jemanden, der mich richtig kennt und mir einfach erst mal nur zuhört.«
»Dann mal los.«
»Hast du denn überhaupt Zeit?«
Siobhan lachte. »Mein liebes Kind. In deinem Alter denkt man, man hätte noch so viel Zeit, und hat trotzdem nie welche. In meinem Alter weiß man langsam, dass man nicht mehr viel Zeit hat, deshalb nimmt man sie sich einfach. Also erzähl.«
Es wurde ein langes Telefonat. Ich erzählte von Kate und dass Benjamin sie verklagen wollte, von dem Cottage, das Oliver Jenkins kaufen und Deirdre angeblich verkaufen wollte, von Eoin und dass wir eine Nacht zusammen verbracht hatten. Von den Briefen in Deirdres
Schuhkartons, dem Smaragdherz und den getrockneten Rosen, von den Fragen, die ich Deirdre über meinen Vater – Siobhans Bruder – stellen musste, und von meinem Herz, das nicht mehr wusste, für wen es schlagen sollte.
»Mein Bruder hat Deirdre sehr geliebt. Er war überglücklich, als die beiden heirateten. Aber irgendwann veränderte er sich. Er sprach mit niemandem über das, was ihn beschäftigte, und fing einfach an zu trinken. Wir haben alle viel zu spät bemerkt, dass er abhängig war. Wenn ich jetzt so höre, was du von den Briefen und dem anderen Mann erzählst, kann ich mir vorstellen, dass Colin ein es Tages herausgefunden hat, wen Deirdre wirklich liebte.«
»Das habe ich mir auch schon gedacht«, sagte ich. »Weißt du eigentlich, warum meine Eltern von Cork nach Myrtleville gezogen sind und Emerald Cottage gekauft haben?«
»Die Initiative ging von Deirdre aus. Sie hatte von ihren Eltern ein wenig Geld geerbt. Du hast deine Großeltern ja nie kennengelernt, weil sie so früh gestorben sind. Sie waren nicht wohlhabend, aber etwas haben sie für ihre Tochter zur Seite gelegt. Davon kaufte sie sich das Cottage. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein besonderer Grund dafür genannt wurde. Außer dass es für ein Kind doch schöner wäre, auf dem Land aufzuwachsen. Und dass Deirdre schon immer gerne an der Küste wohnen wollte.«
»Es muss einen anderen Grund geben«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher