Liz Balfour
nein, lass uns hingehen. Ich habe die beiden ewig nicht gesehen. Immer ist irgendwas dazwischengekommen. Wir bleiben einfach nicht so lange.«
Benjamin nickte. »Sie werden sich wahnsinnig freuen,
wenn ich sage, dass du doch kommst. Ich hatte ihnen nämlich schon gesagt, dass sie wohl mit mir allein vorliebnehmen müssen.«
»Wunderbar, ich freue mich. Gehst du vorher noch in die Kanzlei?«
»Ja. Leider. Es gibt noch viel zu klären … mit Simon Simm. Ich muss versuchen, Kate davon abzuhalten, ihn nun ihrerseits zu verklagen.«
Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zu grinsen. »Dann nehm ich ein Taxi nach Hause. Wir sehen uns bei Leslie und Beatrice?«
Benjamin nickte und half mir mit meinen Krücken.
»Dein Reitunfall?«, fragte er. »Musst du mir noch im Detail erzählen.«
»Meine Pferderettungsaktion«, korrigierte ich ihn.
»Wie auch immer. Schicke Dinger. Ich hoffe, du hast ein farblich passendes Kleid?«
»Das schon, aber habe ich auch eine passende Handtasche? «
Wir lachten, aber mein Lachen war nicht echt.
Deirdre,
du bist seit einer Stunde fort. Du warst so kalt, so habe ich dich noch nie gesehen.
Heirate mich, nicht ihn. Wir gehen weg, wie wir es immer vorhatten. Wir gehen in ein anderes Land. Wir werden dort zusammenleben und Kinder haben. Du bist doch alles, was ich habe, alles, was ich will.
Heirate ihn nicht.
Bitte.
25.
Die SMS von Eoin kam, als ich gerade im Taxi zu unserer Abendverabredung saß.
»Wo bist du?«
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, aber ich war ihm eine Erklärung schuldig. Wie wäre es mit der Wahrheit?, dachte ich zynisch. Es reicht doch, einen Mann anzulügen, oder nicht? Also schrieb ich: »London. Muss Dinge klären. Melde mich morgen!«
Er würde verstehen, was ich meinte.
Das Taxi hielt vor dem roten viergeschossigen Backsteinhaus von Leslie und Beatrice in Belsize Park. Die Belle Etage war hell erleuchtet, und die Haustür stand offen. Ich war nicht der erste Gast, und hinter einem der Fenster entdeckte ich Benjamin.
Ich ließ mir von dem Taxifahrer aus dem Wagen helfen, bezahlte und arbeitete mich die sechs Stufen zur Tür hinauf. Leslie erwartete mich bereits. Er hielt einen Cocktail in der einen Hand, eine Zigarette in der anderen. »Wir müssen auswandern«, seufzte er.
»Aha?« Ich küsste ihn flüchtig zur Begrüßung auf die Wangen.
»In diesem Land darf man draußen nicht trinken und drinnen nicht rauchen. Ich verbringe mein Leben auf der
Türschwelle!« Er verdrehte die Augen und nippte an seinem Cocktail.
»Seit wann darfst du drinnen nicht mehr rauchen?«
Er strahlte. »Beatrice ist schwanger! Deshalb der ganze Aufmarsch heute Abend.«
Es war immer noch wie ein Schlag in die Magengrube. Ich vermied es nach wie vor, in Kinderwagen zu schauen, und wenn irgendwo ein Baby zu sehen war, wandte ich den Blick schnell ab. Die beiden wussten, dass ich mein Kind verloren hatte, aber für sie war es längst Geschichte. Ich konnte ihm nicht böse sein, wie auch. Er hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. »Wann ist es so weit?«
Er winkte ab. »Sie ist jetzt im vierten Monat. Wir haben also noch etwas Schonfrist, um uns umzustellen.«
»Und um dir das Rauchen abzugewöhnen.«
»Liste der Dinge, die niemals passieren werden, Platz 1: Leslie raucht nicht mehr.« Er zog mit Inbrunst an seiner Zigarette und warf dann den Kopf zurück, um die knapp zu langen Haare aus den Augen zu schütteln. »Und du? Wie war’s auf dem Bauernhof? Vom Heuboden gefallen?« Er deutete mit der Zigarette auf meinen Fuß.
»Du meinst das Cottage meiner Mutter? Es hat keinen Heuboden. Nur eine Steilküste.«
»Cottage. Entschuldigung. Spaß gehabt, mal abgesehen von der Steilküste?«
Wusste er es nicht oder hatte er als werdender Vater keine Kapazitäten für die Schicksalsschläge im Leben anderer? Ich verzichtete darauf, ihm von Deirdre zu erzählen
und sagte stattdessen mit englischer Höflichkeit und Zurückhaltung: »Es war wirklich nett, vielen Dank.« Dann schwang ich mich auf meine Krücken und humpelte mit erhobenem Kopf dorthin, wo ich Benjamin vermutete. Er musste in einen anderen Raum gegangen sein, denn ich fand ihn nicht auf Anhieb. Dafür begegnete ich vielen Bekannten, die mir mit großem Hallo mitteilten, dass Beatrice schwanger war, und dann sofort wissen wollten, was mein Fuß machte. Unter den Gästen war auch Tina, unsere Mitarbeiterin. Sie stand mit dem
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