Liz Balfour
für mich. In dieser Zeit konzentrierte ich mich ganz auf die Arbeit, mehr als sonst, damit ich bloß
nicht zum Nachdenken kam. Eines Morgens rannte ich zur nächsten Apotheke und kaufte mir einen Schwangerschaftstest. Bei Boots kaufte ich mir einen weiteren. Schließlich könnte sich die Ärztin geirrt haben. Was sagte denn ein Test allein schon aus? Erst, wenn auch der zweite und der dritte positiv waren, könnte ich mir sicher sein.
Ich versteckte die Tests in meinem Schreibtisch und benutzte sie den ganzen Tag nicht. Ich hatte Angst. Am nächsten Tag traute ich mich, und das Ergebnis war eindeutig: Ich war schwanger. Und mittlerweile in der neunten Woche. Ich schaffte es nicht, mit meiner besten Freundin Kate darüber zu reden. Ich schaffte es auch nicht, meine Tante Siobhan anzurufen, die mit ihrem Mann mittlerweile seit drei Jahren in Chicago lebte, während es Sophie und William nach New York verschlagen hatte. Siobhan war als meine Beraterin in allen Lebenslagen nach und nach in den Hintergrund getreten – Kate war an ihre Stelle gerückt. Aber diese Sache musste ich ganz allein mit mir ausmachen. Mit mir und endlich auch mit meinem Mann.
Es war an der Zeit, mit Benjamin darüber zu reden. Ich hatte gehofft, Klarheit zu erlangen, bevor ich mit ihm sprach, aber ich war vollkommen verwirrt. Wollte ich das Kind jetzt, oder war es zu früh? Wollte ich überhaupt Kinder? Würde ich eine gute Mutter sein, die für ein liebevolles Zuhause sorgte? Könnte ich damit leben, das Kind vielleicht doch nicht zur Welt zu bringen? Ich hatte immer noch auf keine einzige dieser Fragen eine Antwort.
Benjamin betrachtete gerade voller Stolz die alte Werkstattleuchte, die wir vor zwei Monaten bei einem Antiquitätenhändler
in Berlin gefunden und für lächerliches Geld gekauft hatten. Benjamin hatte die Kabel erneuern lassen, und endlich schien er den richtigen Platz für sie gefunden zu haben: an der Decke mitten im Wohnzimmer.
»Hängt sie hier richtig? Oder ist sie doch viel zu groß?«
»Ich finde sie schön«, sagte ich. »Und gar nicht zu groß.«
»Aber schäbig. Ein schäbiges, altes Ding. Globig, klotzig. Oder?«
»Nein, sie ist toll!«
»Ein totaler Stilbruch!«
»Du liebst diese Lampe.«
»Richtig. Und alle, die uns besuchen, werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.«
»Perfekt.«
Mit gespielt verzweifeltem Gesichtsausdruck ließ er sich auf einen Sessel fallen. »Du hast recht. Ich liebe diese Lampe! Ich lasse sie hängen. Sollen doch alle denken, was sie wollen.«
»Was meinst du, wann werden wir mit den anderen Zimmern fertig?«
Er stand auf und kam zu mir, legte den Arm um meine Hüften und bewunderte weiter die Leuchte. »Keine Ahnung. Wir sind doch erst vor einem Jahr eingezogen, wozu also die Eile?« Er lachte. »Vielleicht werden wir nie mit der Wohnung fertig. Wäre das schlimm?«
»Schlimm nicht, aber möglicherweise sollten wir bald mal fertig werden.«
»Wieso, steht was an?«
»Ich bin schwanger«, platzte ich endlich heraus.
Ohne zu zögern, rief er: »Das ist wunderbar!« Benjamin reagierte, wie ich es erwartet hatte. Er umarmte mich, bis ich fast keine Luft mehr bekam. »Wie weit bist du? Wann kommt es zur Welt? Warst du schon bei deiner Ärztin? Was sagt sie?«
»Alles ist in Ordnung«, sagte ich.
»Weiß man denn schon, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird? Nein, das ist zu früh, oder? Oh, du musst mir alles genau erzählen! Darf ich das nächste Mal mitkommen, wenn du zur Ärztin gehst?«
Er war sich so sicher, er freute sich so unbändig, und in mir regte sich immer noch nichts. Natürlich merkte er es.
»Was ist los?«, fragte er.
»Ich glaube, ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dass du als Hausfrau und Mutter versauerst? Du weißt genau, dass das nicht passieren wird. Du wirst nach zwei Monaten wieder arbeiten. Wie ich dich kenne, wirst du noch aus dem Kreißsaal heraus Memos diktieren und beim Windelnwechseln über Vertragsentwürfe nachdenken. « Er griff nach meiner Hand und drückte sie. »Es wird wunderschön sein, ein Kind zu haben. Glaub mir. Ich verstehe, dass du Angst hast. Ein Kind verändert natürlich alles, aber das heißt doch nichts Schlechtes. Im Gegenteil.«
War es nicht genau das, was jede Frau von ihrem Mann hören wollte, wenn sie schwanger war?
»Du bist wundervoll«, sagte ich.
Er atmete tief durch und küsste meine Wange. »Dann geht’s dir also besser?«
»Nein. Du bist mit Sicherheit der beste Ehemann auf
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