Liz Balfour
würde nie so sein wie meine Tante Siobhan. Ich hatte panische Angst davor, Verantwortung für einen schutzlosen, verletzlichen kleinen Menschen zu übernehmen, und ich würde mir nie verzeihen, wenn ich einen Fehler machen würde. Es ging einfach nicht. Ich wollte das Kind nicht bekommen.
Aber ich würde es bekommen, um meine Ehe zu retten. Könnte ich denn ohne Benjamin glücklich sein? Ein Leben ohne ihn erschien mir noch grotesker als alles andere. Ich hatte im Grunde keine Wahl.
Sicher sind es einfach nur die Hormone, dass ich so unglücklich bin, dachte ich später unter der Dusche. Man hörte so viel über Schwangerschaftsdepressionen. Ich würde mit meiner Frauenärztin darüber reden, wenn ich
meinen nächsten Termin hatte. Bis zum Frühstück hatte ich mich so weit im Griff, dass ich Benjamin anlächeln konnte. Aber es sollte noch ein paar weitere Tage dauern, bis ich mich mit meiner Schwangerschaft tatsächlich abgefunden und den Schock überwunden hatte.
Ein dumpfes Gefühl des Zweifels blieb. Ich erwachte jede Nacht gegen drei Uhr mit Albträumen. Sie endeten meist damit, dass ich durch Emerald Cottage ging. Das Haus war vollkommen leer, durch die zersprungenen Fensterscheiben sah ich in einen verwilderten Garten, und die Wände waren schwarz wie Ruß. Benjamin erzählte ich nichts davon.
Wir warteten ab, bis ich im vierten Monat war. Dann erzählten wir es unseren Freunden, Bekannten und Verwandten. Die Einzige, die nichts davon erfuhr, war meine Mutter. Ich bat Benjamin, mir ein wenig Zeit zu geben, um es ihr persönlich zu sagen.
»Das ist nichts fürs Telefon«, sagte ich und buchte einen Flug, ohne Deirdre etwas davon zu erzählen. Ich weiß bis heute nicht, warum ich ihr gegenüber so handelte. Zu Benjamin sagte ich, ich wolle sie überraschen, aber es war etwas anderes, das ich nicht benennen konnte. Vorsichtshalber buchte ich mir gleich noch ein Hotelzimmer in Cork und einen Mietwagen dazu. Ganz so, als besuchte ich eine entfernte Verwandte, der ich nicht zumuten konnte, mich in ihrem Haus aufzunehmen.
Kate fand meinen Plan gut. »Siehst du, das meine ich mit Distanz. Du brichst nicht alle Brücken ab, aber du machst die Fronten klar«, sagte sie zufrieden. Ich hoffte, dass sie damit richtiglag.
Benjamin wollte nicht, dass ich nach Irland flog. »Ist das nicht zu gefährlich?«, fragte er mindestens fünfmal am Tag.
»Im zweiten Drittel der Schwangerschaft ist Fliegen unbedenklich«, zitierte ich meine Frauenärztin. »Und das Risiko einer Fehlgeburt ist jetzt am niedrigsten. Die kritische Phase habe ich hinter mir. Mir geht es wirklich sehr gut.« Körperlich, fügte ich in Gedanken hinzu. »Mach dir keine Sorgen. Es ist nur ein kurzer Flug.«
Tatsächlich war ich voller Energie und Tatendrang. Am Tag vor meiner Abreise kaufte ich mir noch einen neuen Pyjama, und als ich das Geschäft verlassen wollte, kam ich an der Kindermodenabteilung vorbei. Ich blieb stehen und nahm einen Strampelanzug mit einem Bärchenmotiv in die Hand. Vorsichtig ließ ich meine Fingerspitzen über den weichen Stoff gleiten, und endlich durchflutete mich ein warmes Gefühl. Ich hielt den Strampler an meinen Bauch und lächelte.
»Wann ist es denn so weit?«, fragte mich eine Verkäuferin. Ich hatte sie gar nicht bemerkt, so sehr war ich in Gedanken versunken.
»Ende März«, sagte ich.
»Wissen Sie schon, was es wird?«
»Ein Junge. Wir wissen es seit einer Woche.«
»Und jetzt streiten Sie sich um den Namen, stimmt’s?«
Ich musste lachen. »Wir wollten uns die Namensdiskussion noch etwas aufheben, aber das funktioniert nicht. Sobald wir die Zeitung aufschlagen oder uns sonst irgendwo männliche Vornamen begegnen, überlegen wir, ob er uns gefällt.«
»Als ich mit meiner Tochter schwanger war, haben wir
monatelang diskutiert und konnten uns nicht einigen. Dann waren wir im Kino, und eine Figur hieß Livia. Da wussten wir beide, das ist der richtige Name. Irgendwann weiß man es einfach.« Sie berührte mich leicht am Arm. »Aber kaufen Sie jetzt noch keine Kleidung. Es ist zu früh. Warten Sie, bis Sie Ihren Jungen besser kennengelernt haben.«
»Ich wollte nichts kaufen. Ich wollte mir nur die Sachen ansehen«, sagte ich.
Sie nickte und lächelte. »Alles Gute für Sie beide.«
Ich trat hinaus in die kühle, goldene Novembersonne und strahlte.
In dieser Nacht träumte ich davon, meinen kleinen Jungen im Arm zu halten. Er lächelte im Schlaf. Seine winzigen Finger umklammerten meinen
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