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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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wirklich liebe. Um nichts in der Welt will ich das aufgeben.
    Wir nehmen das erste Schiff am 11. Mai nach Cardiff. Ich
werde dort sein und auf dich warten. Nichts wird uns dann noch trennen können.
     
    Ich liebe dich.
    M.

7.
    Ich bestand auf einer Untersuchung des Fetus. Benjamin war zunächst dagegen, aber ich machte ihm klar, dass ich Fakten brauchte.
    »Ich muss wissen, warum Alan gestorben ist.« Ich nannte mein totes Kind in dieser Zeit immer beim Namen. »Vielleicht habe ich etwas falsch gemacht, und wenn dem so ist, will ich es wissen.« Ich sagte ihm nicht, dass ich Gewissheit brauchte, weil mich mein eigener Aberglaube fast zu Tode ängstigte: Hatte mein Unterbewusstsein etwa dafür gesorgt, dass mein Kind gestorben war? Weil ich es anfangs nicht hatte haben wollen?
    »Außerdem muss geklärt werden, ob wir beide etwas weitervererben, wodurch wir keine gesunden Kinder bekommen können«, fuhr ich fort. Und Benjamin willigte angesichts so vieler logischer Gründe schließlich ein.
     
    Der zuständige Arzt erklärte uns nach Abschluss der Untersuchung, dass Alan an einer schweren Form des Edwards-Syndroms gelitten hatte. Ich hatte noch nie davon gehört.
    »Aber meine Frau ist doch untersucht worden«, sagte Benjamin. »Wie konnte das übersehen werden?«
    Der Arzt sah mich an. »Sie sind noch relativ jung, die
Untersuchung auf Trisomie 18 wird nicht routinemäßig gemacht, weil sie sehr selten ist. Im Ultraschall ließ sich auch nichts Außergewöhnliches erkennen. Es kommt manchmal vor, dass zunächst nichts darauf hindeutet. Auch trifft es eher weibliche als männliche Feten. Aber wenn ich das so sagen darf: Ihnen und dem Kind ist so einiges erspart geblieben.«
    Wir waren entsetzt über diese Äußerung des Arztes. Benjamin regte sich auf dem Nachhauseweg furchtbar über dessen unsensibles Verhalten auf. »Man merkt doch, dass diese Pathologen nichts mit lebendigen Menschen zu tun haben. Sollen sie doch einsam in ihren Labors vor sich hin werkeln und Gewebe untersuchen, ich will nichts mehr mit solchen Typen zu tun haben!«, schnaufte er.
    Ich aber informierte mich im Internet über Trisomie 18 und konnte tagelang nicht mehr aufhören zu weinen.
    Meine Mutter erfuhr nie etwas davon. Alle anderen riefen wir der Reihe nach an, oder wir schrieben ihnen. Ein winziges Lebewesen von nicht einmal 150 Gramm hatte es geschafft, unser Leben aus den Fugen zu heben. Ich konnte die nächsten Tage weder essen noch schlafen und verlor dramatisch an Gewicht, bis mich mein Hausarzt endlich überreden konnte, ein Medikament zu nehmen, das es mir wenigstens ermöglichte, nachts durchzuschlafen. Mit dem Schlaf kam auch der Appetit wieder zurück, aber die Traurigkeit blieb. Als zum ersten Mal, nachdem ich Alan verloren hatte, wieder meine Menstruation einsetzte, verfiel ich so stark in Panik, dass mich Benjamin in die Notaufnahme bringen musste. Man empfahl mir, die Pille eine Weile ohne die einwöchige Pause durchzunehmen, bis ich wieder stabil war. Natürlich hatten
wir uns nicht zurückhalten können, ein paar Sachen für unser Kind zu kaufen. Es war noch nicht viel gewesen, wir hatten gerade erst damit angefangen, ihm ein Zimmer einzurichten. Wir verschenkten alles: das Bettchen, den bunten Teppich, die Spielsachen … Alles, was an unser Kind, das nie bei uns angekommen war, oder an meine Schwangerschaft erinnerte, räumten wir weg. Vielleicht war es rückblickend ein Fehler, denn dadurch schwiegen wir die Katastrophe tot, bis wir unfähig waren, miteinander wieder darüber zu reden. Aber damals fühlte es sich so an, als hätten wir keine andere Wahl, als könnten wir sonst nicht weiterleben.
    Ich weigerte mich, Weihnachten mit Benjamins Eltern oder Freunden zu feiern, ich wollte allein sein. Benjamin blieb bei mir, und die meiste Zeit verbrachte ich weinend in seinen Armen. Den Jahreswechsel verschlief ich. Was konnte mir ein neues Jahr schon bringen? An eine Zukunft mochte ich nicht glauben. Und doch ging es kurz darauf ein klein wenig besser. Ich konnte arbeiten, ich traf Freunde, ich nahm wieder am Leben teil. Benjamin und ich hatten sogar wieder Sex miteinander, wenn auch ganz vorsichtig und behutsam und mit vielen Tränen.
    Als der März kam, brach ich wieder zusammen. Ich musste daran denken, dass Alan erst jetzt zur Welt hätte kommen sollen – als gesundes, fröhliches Kind. Ich musste mich wieder aus der Kanzlei zurückziehen, weil ich nicht in der Lage war zu arbeiten. Benjamin mietete Kate und mich für

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