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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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drei Wochen in einem Hotel auf Madeira ein, damit ich mich in Ruhe erholen konnte. Es half tatsächlich. Nach einer Woche fühlte ich mich deutlich ruhiger, und als wir zurück nach London flogen,
hatte ich das Gefühl, mit Alan Frieden geschlossen zu haben.
    Benjamin und ich vermieden das Thema von da an endgültig. Wir sprachen nicht mehr über Alan. Oder über Kinder. Das letzte Mal, dass Benjamin über Alan sprach, war im Mai vor einem Jahr, kurz nachdem ich aus Madeira gekommen war. Er sagte: »Wir werden Alan nie vergessen, aber wir dürfen uns nicht damit quälen. Bestimmt hatte auch sein Tod einen Sinn.« Ich antwortete nichts darauf. Er wusste nicht, wie sehr er meinen Aberglauben, am Tod des Kindes schuld zu sein, mit diesen Worten befeuert hatte.
     
    Die Frage meiner Mutter nach Enkeln und unsere Schwierigkeit damit umzugehen, zeigte uns, dass wir auch anderthalb Jahre später keinen Schritt weitergekommen waren. Über alles konnten wir reden, nur nicht über Alan. Oder über zukünftige Kinder. Wir wichen der Auseinandersetzung aus, zogen uns voreinander zurück, überließen den anderen sich selbst. Alan hätte jetzt ein Jahr und zwei Monate alt sein sollen, doch er war stattdessen vor einem Jahr und sechs Monaten gestorben. Und mit jedem Tag, den er nicht erlebt hatte, waren wir sprachloser geworden.
     
    Nachdem wir das Winter Garden Restaurant des Landmark Hotels verlassen hatten, nahm Benjamin ein Taxi zum Büro. Ich wollte laufen. Es war ein herrlich sonniger Frühlingstag im Mai. Eine gute Stunde würde ich von Marylebone bis nach Hause brauchen: durch den Hyde Park, vorbei an Harrods, was ein kleiner, schöner Umweg
war, durch die Straßen von Knightsbridge und Brompton, über die King’s Road nach Chelsea, und dann war es nicht mehr weit bis zum Themseufer. Ich ging oft zu Fuß durch London. Ich liebte es, neue Wege und Seitenstraßen zu erkunden und kannte mich in vielen Gegenden besser aus als jeder Taxifahrer.
    Aber an diesem Tag konnte ich die Stadt nicht genießen. Ich war blind für alles, was um mich herum geschah. Ich ging schnell und wurde immer schneller. Die King’s Road überquerte ich im Laufschritt, und ich musste mich zwingen, langsamer zu gehen. Die Leute, die mir begegneten, mussten denken, ich sei auf der Flucht vor der Polizei, nachdem ich eine Bank ausgeraubt hatte. Ich bog gerade in den Paradise Walk ein – ich hatte mir im Laufe der Jahre, die wir nun schon in Chelsea wohnten, gewisse Lieblingsrouten angewöhnt –, als mir schwindelig wurde: Ich fühlte mich, als wäre ich noch nie hier gewesen. Gleichzeitig wusste ich, dass ich keine hundert Meter von meinem Zuhause entfernt war.
    Du bist zu schnell gerannt, beruhigte ich mich. Es war eine anstrengende Woche, du brauchst Ruhe. Aber würde Ruhe nicht gleichzeitig bedeuten, dass ich Zeit zum Nachdenken hatte? Würden meine Gedanken dann nicht ununterbrochen um Alan kreisen? Ich war wütend auf meine Mutter, obwohl sie nichts dafür konnte. Sie wusste ja nichts von Alan, ihrem Enkelsohn, der nie gelebt hatte. Hätte ich ihr doch davon erzählen sollen?
    Erschöpft bog ich in den Swan Walk ein. Die letzten Meter zu meinem Haus rannte ich wieder. Als ich angekommen war, rief ich Kate an.
    »Keine Zeit«, sagte sie atemlos ins Telefon. »Aufregende
Dinge werfen ihre Schatten auf mein kleines, tapferes Geschäft. Ich muss wirklich, wirklich arbeiten. Du solltest das doch am besten verstehen.«
    »Und du betonst das so, weil ich dich schon oft genug versetzt habe, weil ich arbeiten musste?«
    »Ganz genau«, lachte sie. »Freu dich für mich. Ich erzähl dir später alles. Heute Abend?«
    »Sind wir verabredet.«
    »Siehst du, du hast nie Zeit für mich.«
    »Arbeite doch heute Abend und triff dich jetzt mit mir.«
    »Geht absolut nicht.«
    »Na gut. Melde dich.«
    »Mach ich.«
    Ich rief noch bei ein paar anderen Bekannten an, aber alle waren beschäftigt. Was hatte ich an einem Montagnachmittag auch erwartet? Dass sie zu Hause herumsaßen und auf meinen Anruf warteten? Zwischendurch erhielt ich eine SMS von dem Paar, mit dem wir abends verabredet waren: Sie konnten nicht. Ich leitete die Nachricht an Benjamin weiter und rief noch einmal bei Kate an, aber sie hatte ihr Handy ausgeschaltet. Normalerweise war ich diejenige, die Verabredungen verschob oder absagte. Ausgerechnet jetzt, da ich dringend Ablenkung brauchte, war es umgekehrt. Und ich konnte und wollte nicht mit meinen Gedanken allein sein.
    Wieder fühlte ich einen

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