Liz Balfour
alles, was du da gezeichnet hast, ist bereits produziert worden und hängt demnächst in Simms Store.«
»Manchmal gibt es die erstaunlichsten Zufälle«, sagte Benjamin, als ich ihm davon erzählte. »Gewisse Dinge liegen einfach in der Luft. Es gibt den Begriff des kollektiven Bewusstseins, oder auch Massenbewusstseins. Dadurch kann es kommen, dass an zwei ganz unterschiedlichen Orten auf der Welt an nahezu identischen Erfindungen gearbeitet wird. Das Radio zum Beispiel …«
Ich unterbrach Benjamins Referat über Zufälle und rief: »Es geht um eine gesamte Kollektion! Und es geht hier um Kate! Unsere Kate! Was sollen wir denn jetzt tun?«
Benjamin zuckte die Schultern. »Simm hat sein Geschmacksmuster angemeldet, es ist geschützt, da gibt es nichts zu tun. Kate ist in der Beweispflicht. Solange sie nicht hieb- und stichfest erläutern kann, wie Simm an ihre Entwürfe gekommen sein soll oder auch nur, dass ihre Entwürfe zeitlich erkennbar vor denen Simms entstanden sind, steht sie auf verlorenem Posten.«
»Das weiß ich alles selbst, vielen Dank auch, Herr Anwalt. Aber Kate ist unsere Freundin«, sagte ich ungeduldig.
»Und Simm ist unser Mandant. Dazu noch kein unwichtiger. «
»Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Natürlich ist das mein Ernst. Und ich weiß auch, dass du schon genau dasselbe gedacht hast.«
Er hatte natürlich recht. Wir kannten uns gut genug, um zu wissen, wie wir tickten.
»Trotzdem, wir müssen doch etwas tun!«
»Ich wüsste nur nicht, was das sein soll.«
»Können wir nicht mit Simm reden?«, schlug ich vor.
Benjamin zog die Augenbrauen zusammen. »Und was sollen wir zu ihm sagen? ›Simon, hör zu, unsere Freundin Kate hat so einen kleinen Klamottenladen, und sie hat zufällig dasselbe Stoffmuster entworfen, mit dem du nächste Woche auf den Markt kommst. Das findet sie eigenartig. Und wir finden noch sehr viel eigenartiger, dass deine gesamte Kollektion bis ins letzte Detail so aussieht wie ihre Entwürfe. Hast du bei ihr geklaut?‹ Das geht nicht!«
»Nein, das geht nicht.«
»Eben.«
»Können wir denn gar nichts tun?«
»Offiziell? Nein. Das wäre ein Interessenskonflikt. Inoffiziell? Ich würde es nicht empfehlen.«
»Sie ist meine beste Freundin!«
»Und deshalb können wir ihr nur einen zuverlässigen Kollegen empfehlen, der sich der Sache annimmt.« Benjamin schrieb etwas auf einen Zettel und gab ihn mir. »Er ist auf solche Fälle spezialisiert. Ein alter Hase. Glaub mir, er ist der Beste.«
Ich lächelte erleichtert. »Ich dachte schon, du lässt Kate hängen und verlangst von mir, dass ich dasselbe tue.«
»Unsinn. Aber sie hat nur eine Chance, wenn alles korrekt abläuft. Wenn wir als Simms Anwälte sie beraten, gibt es eine Katastrophe.«
Ich umarmte meinen Mann und küsste ihn. »Danke. Ich ruf sie sofort an.«
Zehn Minuten später fühlte ich mich schon wieder viel besser. Ich hatte mich nach dem Kollegen erkundigt, den Benjamin empfohlen hatte, und er war wirklich die erste Adresse, wenn es um Urheberrechtsstreitigkeiten ging. Kate gegenüber hatte ich angedeutet, sie solle sich wegen des vermutlich exorbitanten Honorars keine Sorgen machen, ich würde sie unterstützen. Meine einzige Sorge war nun, wie ich unserem Mandanten gegenübertreten sollte. Dass ich als Anwältin nicht nur mit gesetzestreuen, unbescholtenen Bürgern zu tun haben würde, war mir natürlich immer klar gewesen. Aber hier ging es um jemanden, der möglicherweise meine beste Freundin hintergangen hatte. Möglicherweise … Die Anwältin in mir ließ es nicht zu, jemanden zu beschuldigen, bevor eindeutige Beweise vorlagen. Die Frage, wie Simm an Kates Mappe gekommen sein sollte, war noch lange nicht beantwortet. Auch wenn klar war, dass sich hier etwas nicht mit rechten Dingen zugetragen haben konnte. Aber die Freundin in mir schrie: »Wie kannst du an Kate zweifeln? Und wie kannst du weiter für diesen Betrüger arbeiten?«
Ein Klopfen an meiner Bürotür unterbrach diese Gedanken. Benjamin trat ein. »Bist du dir ganz sicher, dass Kate die Wahrheit sagt?«, fragte er mit ernstem Gesicht.
»Natürlich! Zweifelst du etwa daran?«, fragte ich entrüstet.
Er wich meinem Blick aus. »Es ist nur …«
»Was?« Ich stand auf, ging zu ihm und nahm seine Hand. »Wir reden hier von Kate!«
»Ja, genau. Kate, die nie etwas anderes wollte als ihren kleinen Laden in Notting Hill. Kate, die nie berühmt werden
wollte. Die nie Wert darauf legte, viel Geld zu verdienen. Diese
Weitere Kostenlose Bücher