Liz Balfour
hintergangen und belogen, und eigentlich wollte ich nie wieder mit dir reden. Aber du warst jahrelang meine beste Freundin, und deshalb sollst du die Chance haben, mir zu erklären, wieso du mir das antust !«
Ich sah sofort, dass sie geweint hatte. Sie warf sich auf ihr Sofa – ein von ihr mit blauweißem Möbelsamt neu bezogenes Originalteil aus der Regency-Zeit – und starrte mich trotzig an. Ich blieb in der Tür stehen und wusste nicht, wohin mit mir.
Was war mit ihr los? Gut, ich hatte in den letzten paar Wochen noch weniger Zeit als sonst für sie gehabt, weil wir rund um die Uhr mit den Vorbereitungen für Simon Simms Store-Eröffnung beschäftigt waren. Aber sie führte sich auf, als hätte ich ihr einen Mann ausgespannt oder ihre gesamten Ersparnisse gestohlen. Hastig überlegte ich, was ich falsch gemacht haben könnte, doch mir fiel nichts ein. Kate und ich hatten uns noch nie gestritten, in all den Jahren war kein ernsthaft böses Wort zwischen
uns gefallen. Machte sie etwa nur Spaß? Aber das wäre nicht ihre Art. Kate trieb keine so grausamen Scherze.
»Was hab ich getan?«, fragte ich endlich, und ich sah ihr an, dass sie meine ehrliche Bestürzung berührte.
»Du hast keine Ahnung, wovon ich rede«, stellte sie fassungslos fest. »Du zerstörst mein Leben und merkst nicht einmal was davon.«
»Kate, sag mir bitte, was mit dir los ist«, bat ich sie. Ich stand immer noch hilflos im Türrahmen. Sie bat mich nicht ins Wohnzimmer. Sie hatte lediglich auf mein Klingeln hin den elektrischen Türöffner betätigt und die Wohnungstür angelehnt. Jetzt ließ sie mich im Flur stehen. Normalerweise wäre ich einfach reingegangen, aber ich konnte spüren, dass sie mich nicht näher an sich heranlassen wollte.
»Simon Simm«, sagte sie.
Ich hatte ihr nichts davon erzählt, weil es strenge Geheimhaltungsrichtlinien für das Projekt gab.
»Woher weißt du davon?«, fragte ich vorsichtig.
»Du gibst also zu, dass du es vor mir geheim halten wolltest?«
»Vor dir? Vor allen! Die Presseerklärung geht erst Ende dieser Woche raus, nächste Woche ist die Eröffnung in Kensington, und dann fliegen Benjamin und ich nach Kanada. Bist du ernsthaft sauer, dass ich mit dir nicht über meine Arbeit rede? Du weißt doch, dass das nicht geht.«
»In diesem Fall hättest du aber sofort mit mir reden müssen«, warf sie mir vor.
Ich schüttelte verwundert den Kopf. »Na ja. Erst dachte ich noch, ich könnte dich ein bisschen über Simm ausquetschen.
Ob du ihn kennst, was er für ein Typ ist … Ich hatte ja noch nie mit jemandem aus dieser Branche zu tun. Aber dann hätte ich dir sagen müssen, warum ich nach ihm frage …«
»Ausquetschen, ja?«, giftete Kate.
»Du weißt doch, was ich meine. Ein bisschen Klatsch und Tratsch, etwas, das du als Insiderin weißt. Die Modebranche ist für uns Neuland, und gleichzeitig ist dieses Mandat eine wichtige Erweiterung unseres Geschäftsfelds. Benjamin erwartet weitere Aufträge aus diesem Bereich und hat schon neue Stellen für unsere Kanzlei ausgeschrieben. Er hat ja immer einen Riecher dafür, wie sich die Dinge entwickeln, und Simon Simm ist ein Mandant, der dafür sorgen wird, dass unsere kleine Kanzlei ganz groß rauskommt.« Ich wusste selbst nicht, warum ich das alles sagte. Ich war vollkommen verstört und plapperte einfach drauflos. Ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, was ich Schlimmes gemacht haben sollte.
»Ganz groß, ja?«
Ich schwieg. Offenbar hatte ich genau das Falsche gesagt.
»Auf meine Kosten kommt ihr also ganz groß raus.«
»Ich verstehe nicht, was du mir damit …«
»Du hättest mit mir reden müssen!«, unterbrach sie mich.
»Aber warum? Das ging doch gar nicht! Ich habe noch nie Geschäftsgeheimnisse mit dir …«
»Du hast mich betrogen!«, rief sie und fing an zu weinen. »Du hast mich einfach hintergangen. Genau wie alle anderen.«
»Sagst du mir jetzt bitte mal, was los ist?«
Aber Kate schluchzte in ihr Taschentuch, ohne mir zu antworten. Es brach mir das Herz zu sehen, wie sehr sie litt, wie groß ihr Schmerz war. Wie hatte ich auch nur eine Sekunde lang glauben können, sie würde einen schlechten Scherz mit mir treiben? Aber ich wusste nicht, was ich ihr getan hatte, und ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte.
»Darf ich zu dir kommen?«, fragte ich leise.
»Nein!«
»Aber wenn du mir nicht sagst, was los ist, wie soll ich dann …«
»Du weißt es wirklich nicht«, flüsterte sie erschöpft.
Die Mauer,
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