Liz Balfour
Kate?«
»Was soll das?« Ich ließ seine Hand los.
»Ich habe gerade mit Simon Simm telefoniert und ihn gefragt, ob er eine Kate Winslow kennt. Der Name kam ihm in der Tat bekannt vor, also sah er im Computer nach und stellte fest, dass sich unsere Freundin Kate vor gut einem Jahr bei ihm als Assistentin beworben hatte. Damals war er bereits auf dem Sprung in die Selbstständigkeit, arbeitete aber noch für eines dieser Haute Couture-Label. Er lehnte sie ab, weil ihm ihre Entwürfe nicht gefielen.«
»Davon weiß ich nichts«, sagte ich leise. »Kann es eine Verwechslung sein? Kate hat sich doch noch nie für Haute Couture interessiert.«
»Warte, ich bin noch nicht fertig. Er sagte, diese Ms Winslow sei nach seiner, wie er selbst zugibt, doch recht arroganten Absage bei ihm persönlich aufgetaucht und hätte ihn wild beschimpft. Diese Begegnung hat ihn so erschüttert, dass er ihre Unterlagen aufgehoben hat mit einem Vermerk für seine Mitarbeiter, künftige Bewerbungen dieser Frau sofort abzusagen und sie auf keinen Fall ins Haus zu lassen.«
Ich musste mich setzen. »Und du glaubst jetzt, Kate wolle sich nur an ihm rächen? Nach einem Jahr?«
Benjamin schob die Hände in die Hosentaschen. »Rache serviert man am besten kalt.«
»Unmöglich!«
»Frag sie.«
»Ich kann das nicht glauben. Was ist mit den Entwürfen? Solche Zufälle kann es nicht geben! Ich habe sie
doch mit eigenen Augen gesehen. Ihre Kollektion war absolut identisch mit der von Simm!«
Mein Mann sah mich immer noch nicht an. »Wer sagt, dass er von ihr geklaut hat und nicht umgekehrt?«
Bevor ich etwas erwidern konnte, klingelte mein Telefon. »Jetzt nicht«, sagte ich, aber unsere Sekretärin ließ sich nicht abwimmeln.
»Es ist sehr wichtig, Dr. Russell. Es geht um Ihre Mutter. «
Ich seufzte. »Stellen Sie durch.« Zu Benjamin sagte ich: »Entschuldige. Meine Mutter.«
»Seit wann ruft sie im Büro an?«, wunderte er sich.
»Seit wann ruft sie überhaupt an?«, murmelte ich und wusste, wie ungerecht es war.
Aber es war nicht meine Mutter, die sich meldete, sondern eine fremde Frauenstimme. »Mein Name ist Dr. Irene Murphy, ich bin die Anwältin Ihrer Mutter.«
»Was ist passiert?«, fragte ich und spürte, wie mir der Blutdruck absackte.
»Es tut mir sehr leid, Ihre Mutter musste nach Cork in die Klinik. Sie hatte einen Herzinfarkt und liegt jetzt auf der Intensivstation.«
Mein Mund war ganz trocken. Ich konnte kaum sprechen. »Aber sie lebt? Sie wird versorgt, und es geht ihr wieder besser, nicht wahr?«, krächzte ich.
»Leider nein. Sie liegt im Koma. Ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn Sie so schnell wie möglich kommen könnten.«
Mein Blick flog zu Benjamin, der mich besorgt anstarrte. Ich nickte, dann fiel mir ein, dass die Frau mein Nicken wohl kaum sehen konnte. »Ja, sicher, ich komme. Aber
sagen Sie mir noch … Was meinen die Ärzte? Wird sie …« Ich wagte nicht, es auszusprechen.
»Bitte, Dr. Russell, kommen Sie so schnell wie möglich. «
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Benjamin bereits sein Handy am Ohr hatte, um unseren Flug zu organisieren.
Liebe Deirdre,
natürlich antwortest du mir nicht mehr auf meine Briefe.
Ich schreibe dir trotzdem weiter, da ich hoffe, dass du mich irgendwann verstehen wirst. Und vielleicht kannst du mir sogar verzeihen. Oder ist es zu viel verlangt?
Glaub mir, ich bin nicht glücklich. Ich habe mich gezwungen, die Liebe meines Lebens für meine Familie aufzugeben. Aber was hätte ich tun sollen? Ich trage doch die Verantwortung für meine Kinder. Es war ein Zeichen, dass mein Sohn just in der Nacht vor unserer Flucht so lebensbedrohlich krank wurde. Ein Zeichen für mich, wo mein Platz ist, wo mein Platz zu sein hat.
Ja, es war ein Zeichen für mich, dass mein Sohn krank geworden ist. Und für meine Schwester war es ein Zeichen, dass unser Land krank ist. Denk mal drei Monate zurück, an den Mai, in dem unser neues Leben beginnen sollte wie hofften wir alle auf ein neues Irland! Aber das Abkommen von Sunningdale scheiterte. Meine Schwester hat sich längst den Provos angeschlossen. Sie sagt: »Sie haben meinen Mann für etwas ins Gefängnis geworfen, das er nicht getan hat. Jetzt werde ich an seiner Stelle kämpfen, damit sein Tod nicht sinnlos war.« Sie kämpft für ihn und für Irland, sagt sie, und ich habe Angst um sie. Ich habe sie gebeten, in den Süden zurückzukommen, weg aus Nordirland. Aber sie will bleiben. »Wir haben es gut hier, es ist ruhig, es
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