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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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die sie um sich herum errichtet hatte, bekam Risse, und ich traute mich endlich, ihr Wohnzimmer zu betreten. Sachte ließ ich mich neben ihr aufs Sofa sinken. »Ich weiß wirklich nicht, was los ist. Und du solltest wissen, dass ich dir niemals wehtun würde.«
    Jetzt weinte meine Freundin so bitterlich, dass ich sie in die Arme nahm. Ihre Mauer war vollständig gefallen. Ich wusste nicht, was ich sagen konnte, um sie zu trösten, und so hielt ich sie einfach ganz fest, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dann erzählte sie mir die ganze unglaubliche Geschichte. Es dauerte zwei Stunden, bis ich mir endlich ein Bild gemacht hatte, ein Bild, das ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.
     
    Kate arbeitete schon zu Studienzeiten als Designerin. Sie hatte zunächst nur für Freunde und Verwandte Kleidung umgeschneidert oder neu entworfen, aber schnell sprach
sich ihr Talent herum, und die Nachfrage wurde so groß, dass sie sich Hilfe holte und einen kleinen Laden eröffnete, in dem sie neben dem üblichen Änderungsservice auch ihre eigene Kollektion anbot. Der Laden lief über die Jahre immer besser, und schließlich konnte sie von ihrer eigenen Kollektion so gut leben, dass sie den Änderungsservice ganz aufgab.
    Gut leben bedeutete für Kate, was andere Leute als »über die Runden kommen« bezeichnen würden. Aber ihr reichte es, wenn sie ihre Miete zahlen und es sich ab und zu leisten konnte, auf dem Flohmarkt ein ausgefallenes Möbel zu erstehen, das sie dann meist selbst aufarbeitete. Ihre winzige Wohnung in Notting Hill hatte den bezaubernden Charme eines exquisiten Antiquitätenladens und war zugleich unglaublich gemütlich. Außerdem gab es ständig etwas Neues zu begutachten, immer wieder entdeckte man wundervolle Details in den Schnitzereien an einem Tisch oder einer Kommode, die einem noch nie aufgefallen waren.
    Kates Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie zehn gewesen war. Ihr Vater hatte auf einer Bohrinsel vor der schottischen Küste gearbeitet, ihre Mutter hatte irgendwann keine Lust mehr gehabt, wochenlang auf ihn zu warten. Kates Mutter hatte nie gearbeitet, weil ihr Mann mehr als gut verdient hatte. Doch noch während die Scheidung lief, hatte er einen Unfall und konnte nicht mehr arbeiten, folglich auch keinen Unterhalt für Exfrau und Kind zahlen. Eine Weile hielt Kates Mutter ihren gewohnten Lebensstil aufrecht, bis ihr die Bank alles abnahm, was sie besaß. Kate wuchs von nun an in einer Sozialwohnung im Londoner Süden auf. Mit sechzehn
zog sie aus. Sie hatte beschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen, keine Schulden zu machen und nie in irgendwelche Abhängigkeiten zu geraten.
    So kam es, dass ihr materieller Reichtum nichts bedeutete. Frei und unabhängig leben zu können, empfand sie als den wahren Luxus. Deshalb hatte sie auch nie größere Ambitionen mit ihren Kollektionen gehabt. Kate hatte sich über ihren kleinen, aber treuen Kundenstamm gefreut, und damit genug.
    Daher staunte ich nicht schlecht, als sie mir eröffnete, dass sie in den vergangenen Monaten eine neue Geschäftsidee entwickelt hatte. Nicht, um sich zu bereichern, fügte sie trotzig hinzu, sondern um die Welt ein bisschen besser zu machen. Sie hatte vorgehabt, ihre neue Kollektion, an der sie seit Monaten hart arbeitete, im großen Stil via Internet zu vertreiben. Die Sachen sollten auch weiterhin in England produziert werden, die Leute, die für sie arbeiteten, sollten wie bisher faire Löhne bekommen, sie wollte mit sozial benachteiligten Menschen arbeiten, die auf dem freien Markt keine Chance mehr hatten, die Materialien würden ökozertifiziert sein, und trotzdem wären die Sachen bezahlbar. Monatelang hatte sie geplant und gerechnet, hatte Entwürfe gemacht und wieder verworfen, hatte ihren geheimen Plan wie die Kronjuwelen gehütet – nicht aus Angst, jemand könnte ihr die Idee stehlen, daran hatte sie nie gedacht. Sie hatte nur niemanden einweihen wollen, weil sie abergläubisch gedacht hatte: Was, wenn jemand davon erfährt, und dann scheitere ich?
    Deshalb hatte nicht einmal ich davon erfahren, bis jetzt. Kate erzählte mir, wie sie ein bestimmtes Stoffmuster
europaweit hatte schützen lassen wollen. Es hatte ihr Erkennungszeichen werden sollen. Heute aber hatte man ihr mitgeteilt, dies sei nicht möglich, weil es so gut wie identisch mit einem bereits angemeldeten Stoffmuster war. Kate hatte nachgehakt, und der Name Simon Simm war gefallen. In ihrer direkten Art war sie schnurstracks

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