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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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Zentimetern. Gehalten wurde er von einer aufwändigen Fassung in Form eines Baums: Die Wurzeln hielten das Herz, an der Baumkrone war die Kette befestigt. Ich war keine Expertin auf dem Gebiet, wusste aber, dass eines der wichtigsten keltischen Symbole der Baum des Lebens war und den Kosmos symbolisierte. Während seine Wurzeln tief in die Erde drangen, reichten seine Äste bis in den Himmel, um beides zu verbinden. Er stand für die ewige Kraft des Lebens.
    Ich hatte diese Kette noch nie gesehen. War sie neu? Sie passte überhaupt nicht zu Deirdre. Meine Mutter trug keinen Schmuck. Nicht einmal eine Armbanduhr. Vielleicht ein Geschenk meines Vaters, das sie liebevoll aufbewahrt hatte? Ich hatte immer gedacht, dass das Landhaus Emerald Cottage hieß, weil Irland ja auch Emerald Isle – Smaragdinsel – genannt wurde. Aber vielleicht hatte der Smaragd für meine Eltern eine besondere Bedeutung? Vielleicht hieß das Cottage gar nicht schon immer so, sondern erst, seit wir hier eingezogen waren? Ich hoffte inständig, meine Mutter würde bald aufwachen. Ich hatte so viele Fragen. Wir hatten uns doch noch so vieles zu sagen …
    Gerade wollte ich den Schuhkarton schließen und zurück in die Schublade stellen, als mir ein gefaltetes Blatt unter den getrockneten Blättern auffiel. Ich nahm es heraus und strich es glatt. Darauf stand in einer klaren Männerhandschrift:
    Meine Liebe,
    der Smaragd ist das Symbol der Hoffnung, und er ist der heilige Stein der Venus, denn er erhält die Liebe. Er beruhigt das Herz, und er lässt die Liebenden treu sein. Trägst du ihn im Frühling, ist seine Kraft am stärksten. Wie gut, dass der Mai unser Monat ist! Nimm auch diese Rose als Erinnerung an unseren Tag vor einem Jahr.
    Auf ewig,
    Naoise
    Naoise? Was war das für ein Name? Hatten sich meine Eltern Kosenamen gegeben? Es würde zu dem romantischen Brief passen. Mich durchströmte ein warmes Gefühl bei dem Gedanken, wie sehr sich meine Eltern einmal geliebt hatten, auch wenn der Preis für mich gewesen war, dass Deirdre Colin mir vorgezogen hatte, statt ihre Liebe auf uns beide zu verteilen. Sie hatte sich lieber mit aller Kraft um ihn gekümmert, als der Alkohol ihn immer mehr zerstörte.
    Ich las den kurzen Brief noch einmal durch. Erst dann kamen die Zweifel. Die Erinnerungen an meinen Vater waren geprägt von seiner Trunksucht und den Depressionen. Je älter ich geworden war, desto weniger hatte ich mit ihm zu tun gehabt. Auch hatte er nie meine Nähe gesucht. Bestenfalls hatte Deirdre mir seine Grüße ausgerichtet und umgekehrt. Mein Vater war weder aggressiv noch gewalttätig gewesen. Aber eben auch nicht herzlich, liebevoll und aufgeschlossen.
    Als Kind nimmt man so etwas hin, weil man es nicht anders kennt. Mein Vater war einfach immer jemand gewesen, der irgendwie auch im Haus wohnte und manchmal
etwas sagte. Aber Mutter war diejenige, die entschied und bestimmte, die die Dinge regelte und organisierte. Sie kümmerte sich um meine Schulsachen, meine Wäsche, meine vielen Fragen nach der Welt, mein Essen, einfach alles. Und sie war es auch, die mich wegschickte, die sich nur noch um meinen Vater kümmerte, als es mit ihm immer schlimmer wurde. Die mir bis heute nicht erzählt hatte, was sich wirklich in der Nacht zugetragen hatte, als er gestorben war, warum er so schrecklich viel getrunken hatte.
    Mein Vater war sicherlich nicht sein ganzes Leben so gewesen, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Trotzdem konnte ich ihn mir nicht als romantischen Helden, der Briefe schrieb, Smaragdherzen schenkte und Rosen brachte, vorstellen. Aber die Liebe machte die verrücktesten Dinge mit den Menschen … Sicherlich waren Deirdre und Colin, als sie sich kennenlernten, so kopflos und versponnen wie alle frisch Verliebten gewesen. Trotzdem, ich schaffte es nicht, meinen Vater mit den Dingen in diesem Schuhkarton zusammenzubringen. War das überhaupt seine Schrift?, fragte ich mich mit einem Mal. Noch einmal sah ich mir den Brief an, und da erst fiel mein Blick auf das Datum: Mai 1973.
    Eine Rose? Zum Jahrestag? Hier waren sieben Rosen. Meine Eltern hatten sich erst 1977 kennengelernt, zwei Jahre vor meiner Geburt. Nein, hier stimmte etwas nicht.
    Ich wusste nicht, wo ich eine Schriftprobe von meinem Vater herbekommen sollte. Irgendwo mussten doch noch Sachen von ihm sein, oder hatte meine Mutter nichts von ihm aufbewahrt? Das Cottage hatte weder einen Keller noch einen Speicher. Also durchforstete ich akribisch
alle Schränke im Haus,

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