Lizenz zum Kuessen
Nikkis Kinn, Nikkis Zähne schlugen zusammen, ihr Kopf flog zurück. Der Schock ließ sie ihren Griff lockern, und Val stieß sie von sich. Ringsum hielten Autos, Fahrer schrien und hupten, aber Nikki hörte noch etwas anderes. Und sie spürte, wie über ihr die Luft vom steten Rhythmus der Rotoren zerteilt wurde. Ein Hubschrauber war im Anflug! Nikki wich einem weiteren Hieb aus und rammte Val das Knie in den Bauch. Val traf sie mit dem Ellenbogen am Ohr.
»Du bist echt bescheuert!«, schrie Nikki und wich einen Schritt zurück. »Das alles machst du doch nur für deinen Freund!«
»Nein, ich mache es für mich«, schrie Val zurück und schlug zu. Nikki taumelte, fing sich wieder und setzte zu einer Geraden an. Ihr Fuß landete mit voller Wucht auf Vals Brust. Diesmal musste Val einen Rückzieher machen.
Nikki hatte keine Ahnung, wo ihre Pistole abgeblieben war und kämpfte mit Händen und Füßen weiter. Mittlerweile hatten sie sich einmal quer über die Brücke geboxt,
und Val lehnte mit dem Rücken am Geländer. Tief unter ihnen floss der schlammig braune Chao Phraya.
»Ich habe versucht, es dir zu klarzumachen«, sagte Val. »Du kannst sie nicht retten.« Nikki wollte empört etwas erwidern, aber Val schnitt ihr das Wort ab: »Es bringt nichts. Du kannst sie nicht retten. Keine einzige Frau kannst du retten.«
»Doch«, beharrte Nikki. »Veränderung ist möglich. Ich habe gestern einfach aufgelegt, als meine Mutter angerufen hat. Jeder kann sich verändern.« Einen Augenblick war ihr, als würde sie die wahre Val sehen, dann lenkten die ratternden Rotorenblätter des Hubschraubers sie ab. Nikki schaute über die Schulter und sah ihn knapp über der Straße auf der Stelle fliegen. Ellen stand in der geöffneten Tür. Der Wind peitschte durch ihr graues Haar. Plötzlich sah Nikki sie zu ihrem Präzisionsgewehr greifen und an Nikki vorbei auf Val zielen.
»Val!«, schrie Nikki und hob abwehrend die Hand. Sie konnte einfach nicht anders, als Val zu warnen, doch jäh hielt sie inne, als Val - cool wie immer - Nikkis Pistole auf sie richtete. Die Zeit schien für eine Ewigkeit stillzustehen, und Nikki fiel zum ersten Mal die unergründliche Tiefe von Vals dunklen Augen auf. Sie hörte den Schuss nicht, doch sie sah Val zusammenzucken und rückwärts über das Geländer stürzen. Nikki reagierte prompt und griff schnell nach Vals Hand, die langsam vom Rand des Geländers glitt.
»Val!«, schrie sie wieder. Vals Hand drohte ihr zu entgleiten. Sie war nass und schlüpfrig von Blut. Nikki beugte sich weiter über das Geländer und spürte, wie die Schwerkraft sie nach unten zog. Val schaute zu ihr auf, ihr Gesicht noch blasser als sonst. Hinter sich hörte Nikki den Hubschrauber auf der Brücke landen.
»Ich nehme es zurück, Nikki.«
»Was? Val, halt dich fest!« Nikki wünschte, dass Val sich auf das augenblicklich drängendste Problem konzentrieren würde.
»Ich nehme es zurück. Es tut mir doch nicht leid, dir Schuhe gekauft zu haben.«
»Die habe ich verloren! Das ist doch egal! Alles ist egal!« Mittlerweile kreischte Nikki. »Halte dich einfach nur an meiner Hand fest!«
Val schaute zum Wasser hinab. Hinter sich hörte Nikki Schritte heranjagen. Als Val wieder zu ihr aufsah, lächelte sie. Dann ließ sie los.
»Val!«, kreischte Nikki, als ihre ehemalige Partnerin in die trüben Wasser des Chao Phraya stürzte.
Kurz darauf stand Ellen neben ihr am Geländer und schaute prüfend in die Tiefe. Jenny folgte ihr dicht auf den Fersen, ihre Waffe im Anschlag. Ungläubig starrte Nikki Ellen an. Sie war sprachlos und wusste absolut nicht, wie sie sich verhalten sollte.
»Komm, lass uns verschwinden«, sagte Ellen.
Nikki schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren wie gebannt aufs Wasser gerichtet.
»Vielleicht ist sie gar nicht tot.«
Ellen schüttelte den Kopf. »Ich habe mitten aufs Herz gezielt. Und hier sind Blutspritzer.« Sie zeigte auf das Brückengeländer. »Die Polizei kommt. Selbst wenn sie nicht tot wäre, müssten wir schleunigst verschwinden.«
Nikki starrte Ellen an, völlig fassungslos und nicht gewillt, zu begreifen, was gerade geschehen war.
»Komm, Nikki. Wir müssen hier weg.« Ellen zeigte zum Anfang der Brücke, wo Polizeiautos und schwarze Geländewagen noch durch den Stau aufgehalten wurden, aber gewiss bald hier sein würden.
Wieder schüttelte Nikki den Kopf.
»Hey, Nikki, wir müssen weg«, sagte auch Jenny und berührte leicht ihre Schulter. Nikki zuckte zusammen. »Nikki«,
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