Lizenz zum Kuessen
ihn sein, Sie ausfindig zu machen.«
»Ich bezweifle, dass er das tun wird, Mr M.«, seufzte Nikki.
»Warten wir’s ab«, sagte Mr M. mit einer Zuversicht, die Nikki höchst unangebracht schien.
»Ich bringe Sie direkt ins Hauptquartier«, wechselte er das Thema. »Man will Sie unverzüglich nach Ihrer Ankunft sprechen.«
»Okay«, sagte Nikki. »Dann habe ich es wenigstens hinter mir.«
»Nikki, man wird Sie nicht feuern«, beschwichtigte sie Mr M.
»Dr. Hastings hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, als würde sie es sich gefallen lassen, dass man ihre Autorität in Frage stellt und ihre Befehle ignoriert«, sagte Nikki.
»Noch ist nicht aller Tage Abend«, meinte Mr Merrivel lakonisch. »Jetzt hören Sie endlich auf, den Miesepeter zu spielen, und suchen Sie uns was Schönes im Radio.«
Nikki drehte am Radio, bis sie den Oldie-Sender gefunden hatte. Bald darauf fragten sie sich, ob sie » lonesome tonight « wären und sangen gut gelaunt mit Elvis. Nikkis Laune besserte sich schlagartig - bis sie vor der verspiegelten Glasfassade des Carrie-Mae-Hauptquartiers hielten.
»Lassen Sie Ihr Gepäck ruhig hier«, sagte Mr Merrivel, als er ihr die Tür aufhielt. »Ich bringe es schon mal nach Hause, und bis Sie was Eigenes gefunden haben, können Sie natürlich wieder bei mir und Mrs M. wohnen.«
»Das ist wirklich nicht nötig«, wandte sie ein, doch er winkte ab.
»Sie werden nicht gefeuert, und irgendwo müssen Sie dann ja wohnen.«
Nikki schaute in Mr Merrivels fröhliches, aber entschlossenes Gesicht und gab nach. Gegen diese Art von Freundlichkeit war man machtlos.
Sie straffte die Schultern und marschierte in die Lobby. Alles sah genauso blendend und makellos aus wie beim letzten Mal. Diesmal fiel ihr zudem auf, wie ruhig es war. Zwar eilten etliche Leute geschäftig hin und her, doch die Atmosphäre war unaufgeregt und entspannt. Alles wirkte reibungslos durchorganisiert, alle schienen mit ihrer Arbeit glücklich und zufrieden. Auf einmal empfand Nikki Neid und Bedauern. Sie hätte gerne dazugehört.
Als sie hinüber zu den Fahrstühlen lief, ging einer gerade auf, und heraus kam Rachel White.
»Ich habe gehört, dass du das Anastasia spezial eingesetzt hast?«, fragte Rachel aufgeregt und zog sich einen Bleistift aus den wirren blonden Locken. »Wie hat es funktioniert?«
»Na ja, ich lebe noch«, sagte Nikki nicht ganz so begeistert.
»Du bist angeschossen worden? Aus welcher Entfernung? Der Bericht war leider recht ungenau.«
»Keine Ahnung, vielleicht fünf Meter«, schätzte Nikki ungeduldig.
»Eigentlich befindet es sich nämlich noch in der Testphase. Hattest du Blutergüsse?«
Testphase! »Ich kann dir Bilder schicken«, sagte Nikki ungnädig.
»Echt? Das wäre toll!«
»Hmmm«, machte Nikki und schob sich an Rachel vorbei in den Fahrstuhl.
»Fährst du nach oben?«
»Sie wollen mich sprechen«, erwiderte Nikki düster.
»Oh ja, sie hat uns alle vorgeladen«, sagte Rachel und trat aus dem Fahrstuhl. »Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Viel Spaß!« Rachel winkte ihr fröhlich zu, bis die Türen sich schlossen.
Als sie allein im Fahrstuhl stand, spürte Nikki Panik in sich aufsteigen. Schließlich drückte sie auf den Knopf für das oberste Stockwerk, und als der Fahrstuhl hielt, nahm sie den Notrufhörer ab und sprach das Passwort der Woche hinein. Jane hatte es ihr vor ihrem Abflug aus Thailand noch schnell gemailt, und Nikki hatte sich bis zum Umsteigen in Tokio-Narita darüber den Kopf zerbrochen. Am Flughafen hatte sie sich erstmal in einer Buchhandlung eine Ausgabe von Alice im Wunderland gekauft.
»Sie war darauf besonders scharf,
Doch das behalt für dich,
Weil keiner davon wissen darf
Als höchstens du und ich.« 3
Ein eher unbekanntes Zitat, und Nikki hätte zu gern gewusst, was es bedeuten sollte. Sie grübelte noch immer darüber nach,
als die Tür aufging. Jane erwartete sie bereits, klatschte vor Freude in die Hände und sprang aufgeregt auf und ab.
»Nikki!«, kreischte sie, eilte zu ihr und umarmte sie. Nikki erwiderte die Umarmung etwas unbeholfen. Sie spürte, wie grüngelbe Prellungen sich heftig beschwerten und frisch verschorfte Wunden aufplatzten.
»Es ist so schön, dich zu sehen. Was bin ich froh, dass du nicht tot bist!«
»Ich auch«, stimmte Nikki ihr aufrichtig zu.
»Komm, du wirst schon im Konferenzraum erwartet.« Jane eilte ihr voraus, Nikki folgte etwas schwerfälliger. »Dir ist schon klar, dass ich es dir erzählt hätte, wenn
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