Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Tage später, am 17. Juli 2005, richtete ein Scharfschütze der israelischen Armee einen lokalen Hamas-Kommandeur in Khan Yunis hin.
Als die israelischen Truppen aus dem Gaza-Streifen abgezogen waren, eskalierte der Konflikt auf das Ausmaß während der Zweiten Intifada. Jeder palästinensische Terroranschlag wurde mit einer israelischen Hinrichtung beantwortet, der ein erneuter Terroranschlag folgte: Am 25. August 2005 flog am Busbahnhof von Beersheva eine Bombe in die Luft(fünfzig Verletzte); daraufhin jagte am 25. September die Air Force auf der Küstenstraße von Gaza eine Hellfire-Rakete in den Mercedes von Mohammed Khalil, eines Militanten des Islamischen Dschihad (ein Toter, zwei Verletzte); am 26. Oktober sprengt sich auf dem Markt von Hadera ein Selbstmordattentäter in die Luft (sieben Tote, dreißig Verletzte); am 27. Oktober richtet die Luftwaffe Shadi Mehana in Gaza hin, erneut mit einer Hellfire; am 5. Dezember ein neuerlicher Sprengstoffanschlag vor dem HaSharon Einkaufszentrum in Netanja (fünf Tote); am 7. und 8. und 14. Dezember antwortet Israel mit der Exekution von insgesamt sieben palästinensischen Terroristen. Das Jahr endet mit blutiger Gewalt und noch blutigerer Gegengewalt (siehe Anhang S. 357).
Supreme Court
»In einer Demokratie rechtfertigt das Ziel nicht alle Mittel … Der Wert der Menschenwürde überwiegt das Sicherheitsbedürfnis des Staates.«
Haim Cohn, vormaliger israelischer Generalstaatsanwalt, Justizminister und Richter am Supreme Court in einem Interview 1997
»Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist klar, dort, wo es möglich ist, jemanden festzunehmen, müssen wir ihn festnehmen und dürfen keine ›gezielte Tötung‹ vornehmen, die ich ›vorsorgliche Hinrichtung‹ nenne. Ein erheblicher Teil von Judea und Samaria ist unter der tatsächlichen Kontrolle der IDF, und dort muss nach meiner Meinung eine ›vorsorgliche Hinrichtung‹ ausgeschlossen sein.«
Mordechai Kremnitzer, israelischer Völkerrechtler
Der israelische Supreme Court, der oberste Gerichtshof im David-Ben-Gurion-Regierungsviertel von Jerusalem, verfügt über ein imposantes Gebäude. In kühner Architektur verschmelzen Gegensätze miteinander: außen und innen, alt und neu, gerade und kreisförmig. »Konzepte des Gesetzes und der Gerechtigkeit finden einen visuellen Ausdruck«, heißt es in einer Broschüre der Presseabteilung, »die Geraden stehen für das Gesetz und die Kreise für Gerechtigkeit«. Hier hat der Rechtsstaat sein Zuhause, hier werden die fundamentalen Grundsätze der Gewaltenteilung in der demokratischen Gesellschaft transparent, hier wird sichtbar, dass in Israel vor dem Gesetz alle gleich sind – oder wenigstens sein sollten. Auch die Palästinenser in den besetzten Gebieten können den Supreme Court anrufen, um ihr Anliegen vorzubringen, auch wenn dies in der Praxis oft daran scheitert, dass sie nicht ins Land gelassen werden, also nicht persönlich erscheinen können, wie im Fall der Familie al-Qawasmeh, oder nicht über die Mittel verfügen, einen Anwalt in Jerusalem zu bezahlen, der ihre Sache vertritt.
Allerdings scheint es, dass in Israel oft ein Prinzip noch über dem Gesetz und damit auch über den Entscheidungen des Höchsten Gerichts steht, das Prinzip »Sicherheit«. Wegen der Fragilität des Landes, das von feindlichen Kräften im Norden (die Hisbollah im Libanon), im Süden (die Hamas im Gaza-Streifen) aber auch im Osten (die Fatah in der Westbank) bedroht werde, und mit Verweis auf die Geschichte des jüdischen Volkes, stellt jede Regierung in Jerusalem die Sicherheitsinteressen an die oberste Stelle. Das beeindruckt und beeinflusst natürlich auch die höchsten Richter des Landes. Manche Voten nehmen durchaus Rücksicht auf diese Situation. Und dort, wo die eigentlich bindenden Urteile in der Regierung auf Sicherheitsbedenken stoßen, werden sie vom gigantischen Militär- und Geheimdienstapparat ziemlich burschikos zu seinem eigenen Vorteil ausgelegt, uminterpretiert oder einfach ignoriert. Wenn es um die vermeintliche oder tatsächliche Existenz Israels geht, stößt der Supreme Court wie der Rechtsstaat an seine Grenzen.
Nach dem Beginn gezielter Tötungen während der Zweiten Intifada und dem Beginn gezielter Tötungen reichtenzwei Menschenrechtsorganisationen Klage ein gegen diese offizielle israelische Regierungspolitik; sie wurde vom Gerichtshof angenommen und über mehrere Jahre behandelt (HCJ 769/02). Am 11. Dezember 2005 fand eine Sitzung und
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