Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
den Verzicht von Exekutionen, trotz der immer wieder geübten Kritik an der israelischen Hinrichtungspolitik, etablierte das Weiße Haus nunmehr selbst ein geheimes Tötungsprogramm zur Bekämpfung des Terrorismus. Und davon sollte die Öffentlichkeit nichts erfahren. Das hing wohl auch damit zusammen, dass es seit diesen Jahren eine »starke Abneigung gegen verdeckte Operationen« unter den Amerikanern gab, wie Plaw glaubt.
Das geheime Wissen über al-Qaida und die Taliban lag bei der CIA, ebenso die Deutungshoheit über die Rolle der Zielpersonen innerhalb des Terrornetzwerks und natürlich auch die Kontrolle über die Zielprogrammierung der Killerdrohnen. Die Agency sicherte sich damit paramilitärische Schlagkraft für verdeckte Operationen, und das alles weitgehend ohne parlamentarische oder gar öffentliche Kontrolle; gleichzeitig geriet ihr eigentlicher Auftrag, das Sammeln und Bewerten von Nachrichten, ins Hintertreffen. Neben dem Predator verfügten die Amerikaner seit September 2007 zudem über einen zweiten, größeren Drohnentyp, der nach Einsätzen verlangte und der auch gleich klar und unmissverständlich, seiner Aufgabe angepasst, Reaper getauft worden war (zu Deutsch »Sensenmann«). Der Reaper ist mit zwei lasergelenkten Bomben und vier Hellfire-Raketen bestückt.
Mit dem »Sensenmann« kam es dann auch zu einer deutlichen Erhöhung der Quoten: Während es zwischen 2004 und 2007 nicht einmal eine Handvoll Operationen pro Jahr gegeben hatte, kletterte die Zahl 2008, im letzten Amtsjahr von Präsident Bush, auf 37 Einsätze (301 Tote). Doch wer geglaubt hatte, der neue Mann im Weißen Haus würde die CIA-Kampagne des gezielten Tötens im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet umgehend einstellen oder wenigstens herunter fahren, sah sich bitter enttäuscht. 2009 segnete Barack Obama insgesamt 52 find-and-kill -Operationen in Pakistan ab, die Gesamtzahl der Opfer lag bei 549. Im Jahre 2010 kletterte die Zahl sogar auf 122 mit insgesamt 849 Toten. Das sind inoffizielle, aber seriöse Angaben der Stiftung The National Security Studies Program , denn natürlich legte bislang weder die CIA noch die Obama-Administration Rechenschaft über den staatlichen Serienmord ab (siehe S. 29).
Darüber hinaus genehmigte der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Barack Obama auch Operationen im Jemen, wo der amerikanische »Sensenmann« fortan immer häufiger am Himmel aufkreuzte. Obamas Drohnenkampagne erwies sich als eine Art Wiedergeburt des Tötungsprogramms in Vietnam. Phoenix revival . Nach der Untersuchung von The National Security Studies Program starben bis Ende Mai 2013, als Obama das Programm erstmals in Frage stellte, in Pakistan zwischen 2000 und 3300 Menschen durch gezielte Tötungen und im Jemen noch einmal zwischen 580 und 820 (siehe Anhang S. 371).
Stolz auf die Todesurteile: John Rizzo, Rechtsberater der CIA, äußerte sich über das »sehr geschäftsmäßige Verfahren«, wie der Geheimdienst mutmaßliche Terroristen jagt und tötet.
John Rizzo war einst einer der verantwortlichen Juristen in der CIA im Kampf gegen al-Qaida. Erst unterstützte er enthusiastisch das Folterprogramm von George W. Bush, dann die Drohnenkampagne von Barack Obama. Er gab oft das letzte Okay an die Piloten, die vom Keller der Agency aus ihre fliegenden Raubtiere und »Sensenmänner« mit Joystick und Tastatur über West-Pakistan dirigierten, wenn sie Einheimische ins Visier nahmen, die irgendjemand aus den Etagen über ihnen als gefährlich eingestuft hatte. Seit 2009 ist Rizzo pensioniert, ein Technokrat des Tötens im Ruhestand. Rizzo legt bei Gesprächen mit Journalisten Wert darauf, dass er hinterher nicht wörtlich zitiert wird, er ahnt offenbar, dass oft die Pferde mit ihm durchgehen, wenn er über seine damalige Arbeit spricht. Im Februar 2011 hielt sich Tara McKelvey, eine Reporterin von Newsweek, offenbarnicht an die Verabredung oder Rizzo hatte vergessen, darauf hinzuweisen. Es war jedenfalls ziemlich ungeheuerlich, was ihr der vormalige CIA-Jurist da bei Steak und Côtes du Rhone in einem Washingtoner Restaurant anvertraute – und was sie hinterher veröffentlichte. Das laufe alles »sehr geschäftsmäßig ab«, sagte er zum Beispiel über die Jagd nach vermeintlichen Terroristen, »bevor kleine Stückchen« aus ihnen gemacht würden. »Wir arbeiten im Prinzip eine Liste ab.« An einer Stelle drückte er der Journalistin den Zeigefinger auf die Stirn als handele es sich um eine Pistole. »Wie viele
Weitere Kostenlose Bücher