Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
vor allem aber im Nahen und Mittleren Osten; Tsomet verfügt über Niederlassungen im Ausland, in der Regel handelt es sich um die Residenturen an den israelischen Botschaften, gelegentlich aber auch um Firmen hinter unverdächtiger Fassade. Keshet (»Regenbogen«) ist zuständig für Observationen und Abhörmaßnahmen. Und es gibt Caesarea , benannt nach der antiken Stadt Caesarea Maritima, die später eine wichtige Festung für die Kreuzritter wurde; deren Ruinen liegen auf halbem Wege zwischen Tel Aviv und Haifa.
Die Caesarea-Einheit kann man als den schlagenden Arm des Mossad bezeichnen, sie führt Operationen im feindlichen Ausland durch; ihre Agenten werden »Kämpfer« oder »Kombattanten« an einer unsichtbaren Front genannt. Innerhalb von Caesarea wiederum gibt es eine Gruppe von Spezialisten, die sich Kidon nennt, was im Hebräischen »Bajonett« oder »Speerspitze« heißt und durchaus sinnbildlich gemeint ist: Es handelt sich um die Mörder des Mossad. Die genaue Zahl der Kidon-Agenten ist streng geheim, sicher scheint jedoch, dass sie entweder völlig abgeschottet in Israel leben und sich so gut wie nie im Headquarter blicken lassen, oder dass sie im Ausland unter einer ausgetüfteltenLegende ein halbwegs normales Leben als »Schläfer« führen. Natürlich haben diese »Spezialkräfte«, die den Sprengsatz zünden, das Gift einflößen, auf lange Distanz mit ruhiger Hand ein Loch in Köpfe schießen oder dem Gegner mit Kraft und geschicktem Griff das Genick brechen, eine »spezielle Ausbildung« erfahren, sagt Gad Shimron, der selbst viele Jahre als Caesarea-Kämpfer auf dem Buckel hat, allerdings nie für Kidon tätig war. Man könnte sagen: Sie genossen eine Ausbildung zum Berufskiller.
Israel tötet gezielt – in den besetzten palästinensischen Gebieten und im Ausland. Die Zielpersonen, über die Spitzen des Mossad und der anderen Geheimdienste gewissermaßen zu Gericht sitzen und deren Todesurteil dem jeweiligen Regierungschef zur Vollstreckung vorschlagen, gelten als Staatsfeinde, bedrohen die Sicherheit des Landes und seiner Bürger. Die targets fallen in zwei Kategorien: Terroristen und Wissenschaftler, deren Projekte die Existenz Israels gefährden; nur in Einzelfällen gehörten die Opfer nicht der einen oder der anderen Gruppe an. Dabei werden »leise« und »laute« Hinrichtungen unterschieden, »leise« sollen unter keinen Umständen auf die Regierung in Jerusalem als Auftraggeber und die Agenten des Geheimdienstes als Täter hinweisen, »laute« sollen genau das Gegenteil bewirken, Angst und Schrecken verbreiten oder anderen Staaten eine »Nachricht« fernab diplomatischer Kanäle zukommen lassen.
Exekutionen im befreundeten Ausland müssen schon deshalb möglichst geräuschlos über die Bühne gehen, damit der Regierung in Jerusalem die Möglichkeit eines »glaubwürdigen Dementis« bleibt: »Plausible deniability« heißt das im diplomatischen Jargon. Im Israel feindlich gesinnten Ausland geht es oft um »verdeckte Morde« – das Opfer soll gewaltsam sterben, ohne Spuren eines Gewaltverbrechens zu hinterlassen. Das hängt in erster Linie damit zusammen, den Kidon- und Caesarea-Agenten eine sichere Heimkehr zu ermöglichen. Würden sie auf frischer Tat ertappt, drohte ihnen in der Regel der Galgen.
Profis unter sich: Der ehemalige Mossad-Agent Gad Shimron (links) lud nach dem Ende der DDR deren ehemaligen Spionagechef Markus (»Mischa«) Wolf nach Israel ein.
Der »Memune« in Herzliya, wie der Mossad-Direktor genannt wird, ist also ein mächtiger Mann in Israel, er kann über Leben und Tod entscheiden. »Memune« ist eine Bezeichnung aus dem Talmud, mit ihr wird der Erste unter Gleichen charakterisiert (»der Auserwählte«). Eine weniger biblische Bezeichnung für die Position lautet: Ramsad , im Hebräischen eine Abkürzung für Rosh ha-Mossad , »Chef des Mossad«. Mit den moralischen Fragen, die sich aus ihrer Entscheidungsgewalt ergeben, sind die meisten Memunen sehr robust umgegangen. Ähnlich wie die sechs ehemaligen Direktoren des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet in dem Dokumentarfilm »The Gatekeepers«, die plötzlich ihre Zweifel an den außergerichtlichen Exekutionen entdeckten und – gemeinsam sind wir stark – auch publik machten, besaßen wahrscheinlich auch die wechselnden Regierungschefs in Jerusalem und deren Ramsads nuancierte Auffassungen über die Recht- und Zweckmäßigkeit von gezielten Tötungen. In der Regierungszeit des Memunen Nahum Admoni
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