Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Karriere als Agent der Israelis. Ben Gal alias Baruch Presher kehrte zu seinem Standort nach Paris zurück. Dort traf er sich noch einmal in einem kleinen russischen Restaurant mit seinem ehemaligen Boss Isser Harel, der gerade mit seiner Frau auf Urlaubsreise durch Europa tourte. Sie bestellten eine Flasche Wodka und stießen auf die guten alten Zeiten an, die erst wenige Wochen zurücklagen.
Gemetzel im Strandhaus – der Fall Cukurs
»Aufgrund der schweren gegen Herbert Cukurs erhobenen Anklagen und wegen seiner nachweislich persönlichen Verantwortung für den Mord an 30 000 Männern, Frauen und Kindern und insbesondere wegen der schrecklichen Grausamkeit, die er bei der Ausführung seiner Verbrechen demonstrierte, haben wir beschlossen, über den Angeklagten Herbert Cukurs das Todesurteil zu sprechen. Das Todesurteil wurde am 23. Februar 1965 vollstreckt.
Diejenigen, die niemals vergessen werden.«
Wortlaut eines Bekennerschreibens über die Ermordung des mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrechers Herbert Cukurs
Paris, 1. September 1964. Jakob Meidad, angeblich ein Geschäftsmann aus Israel, schlendert am Ufer der Seine entlang, verweilt hier und dort, um seine Umgebung zu beobachten und sich zu vergewissern, »dass ich allein war und nicht von einem der zahlreichen Geheimdienste beschattet wurde, die damals in Paris eine rege Tätigkeit entfalteten«. So wird sich der Mossad-Agent Meidad (Deckname »Jitzchak«) mehr als dreißig Jahre später in einem Buch an den Beginn einer Operation erinnern, die er selbst für seinen größten Coup hielt.
Sein Ziel an diesem Morgen ist eine unscheinbare Mietwohnung in der Avenue de Versailles im exklusiven 16. Arrondissement, in unmittelbarer Nähe der Seine. Joav hat ein Treffen angesetzt, es geht um eine neue Operation, bei der Meidad die wichtigste Rolle spielen soll. Hinter Joav verbarg sich möglicherweise Yitzhak Shamir, der spätere Premierminister. Auch Elieser Sudit, der zwölf Jahre zuvor eineBombe für Konrad Adenauer gebaut und das Leben des Münchner Polizisten Karl Reichert auf dem Gewissen hatte, ist nach Paris gekommen; er soll unter dem Decknamen Oswald Taussig einen Part bei der geplanten Operation übernehmen. Er war inzwischen vom Mossad mit der Erstellung einer Liste von flüchtigen Nazi-Kriegsverbrechern beauftragt worden, die der Geheimdienst aufspüren, entführen und in Jerusalem vor Gericht stellen wollte. Und genau darum sollte es gehen.
Der Agent klingelt an der Tür des Apartments. Nach einer Weile hört er, wie sich drinnen Schritte nähern. Es dauert weitere Sekunden, bis Joav die Tür öffnet, »er hatte sich erst durch das Guckloch vergewissert, dass es sich wirklich um einen geladenen Gast« handelt, schreibt Meidad. Die Begrüßung ist kurz, aber herzlich, es gilt keine Zeit zu verlieren. »Ab jetzt heißt du Anton Künzle! Du kannst schon mal anfangen, dich daran zu gewöhnen«, sagt Joav, noch bevor sein Kollege an einem kleinen Kaffeetisch Platz nehmen kann. »Anton Künzle? Klingt Deutsch!«
»Österreichisch!«, korrigiert Joav, »deine Legende ist schon gestrickt!«
Jitzchak war damals ein vielseitig im Ausland einsetzbarer »Kämpfer« des Mossad, er hatte schon im Mai 1960 als Logistiker an der Entführung des NS-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann aus Argentinien mitgewirkt. Erst viele Jahre später stellte sich allerdings heraus, dass die Operation äußerst dilettantisch vorbereitet und durchgeführt worden war, keineswegs so abenteuerlich, wie es noch heute in den meisten Büchern nachzulesen ist.
Geboren wurde Jakob Meidad, dessen Identität erst nach seinem Tod im Juli 2012 gelüftet wurde, 1919 in Breslau als Sohn eines Arztes, der im Ersten Weltkrieg als Sanitätsoffizier in der deutschen Reichswehr gedient hatte und mit dem »Eisernen Kreuz« ausgezeichnet worden war. Nach derMachtergreifung der Nationalsozialisten bestürmte der vierzehnjährige Teenager seine Eltern, Deutschland den Rücken zu kehren und nach Palästina überzusiedeln. Doch sie lehnten es ab, ihre Heimat zu verlassen und wurden später in den Konzentrationslagern Theresienstadt bzw. Auschwitz ermordet.
Der junge Jakob schlug sich nach Palästina durch, lebte bei einer Pflegefamilie in Haifa, trat als erster jüdischer Siedler Palästinas der britischen Royal Artillery bei, diente im Unabhängigkeitskrieg in der Untergrundarmee Hagana als Kanonier, machte danach Karriere in der israelischen Armee (IDF) und stieg zum Kommandeur der Artillerieschule auf.
Weitere Kostenlose Bücher