Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Vielleicht sind ihm die Ägypter auf die Schliche gekommen, dass es keine Haarlem University gibt, er mithin ein Scharlatan ist, vielleicht sieht er auch nur die Chance, als Überläufer seine Besoldung deutlich zu erhöhen. Sein Sohn Michael wird später Wert auf die Feststellung legen, dass sein Vater »nie beim Mossad« war. Sonst möchte er nichts sagen. Die Familie sei im übrigen der Meinung, »dass wir die Toten in Frieden ruhen lassen sollten«.
Es dauert nicht lange, bis Jokliks Angebot beim Memunen in Tel Aviv landet. Er lässt den Österreicher sofort nach Israel einfliegen. Es folgen eine Reihe von Verhören, in denen die Mossad-Leute herausfinden wollen, ob es sich bei ihrer neuen Quelle womöglich um einen Spitzel der Gegenseite handeln könnte. Doch Harel erstickt sofort jeden aufkommenden Zweifel an der Seriosität Jokliks im Keim, er vertraut ihm, decken sich doch dessen Ausführungen weitgehend mit seinen eigenen Befürchtungen: Nassers Leute sind dabei, entsprechende Sprengköpfe für die neuen Mittelstreckengeschosse mit radioaktivem Abfall zu bestücken, das Projekt laufe, so Joklik, unter der Tarnbezeichnung »Ibis 1«. Noch viel gefährlicher aber seien Pläne unter dem Decknamen »Cleopatra«, atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen für die Raketenköpfe zu entwickeln. Ägypten und Cleopatra – das klingt für den Memunen völlig plausibel. Jeden Einwand seiner eigenen Ägypten-Experten, sie hätten noch nie von »Ibis 1« oder »Cleopatra« gehört, Joklik binde dem Mossad einen Bären auf, wischt Harel vom Tisch. Vielmehr wähnt er sein Land in großer Gefahr, deshalb sei es jetzt an der Zeit für geeignete Maßnahmen durch Yitzhak Shamirs »harte Jungs«. Auch ein Name für die Operation fällt ihm sofort ein: »Damokles«, das Schwert über unseren Köpfen.
Auf verschwiegenen Kanälen erfährt der stellvertretende Verteidigungsminister Shimon Peres von Jokliks Anwesenheit in Israel, er verlangt, dass der Österreicher auch von seinen Leuten vernommen werden könne. Harel lehnt ab. Peres wendet sich an David Ben-Gurion, droht sogar mit Rücktritt. Am Ende des erbitterten Streits entscheidet der Premierminister, dass der Chef des Geheimdiensts Lakam, der für die Sicherheit des israelischen Atomprojekts verantwortlich ist, die Quelle aus Österreich vernehmen soll; er besitze das nötige Fachwissen, um Joklik zu überprüfen. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Die Informationen des Österreichers seien so zweifelhaft wie der ganze Mann selbst. Doch der Memune lässt sich nicht beirren. »Operation Damokles« ist inzwischen angelaufen und nicht mehr aufzuhalten. Zur großen Verwunderung seiner engsten Mitarbeiter schickt Harel den Überläufer Joklik sogar als Mossad-Spezialagenten nach Deutschland, immerhin kennt er die deutschen Raketenforscher, die jetzt liquidiert werden sollen, von Angesicht zu Angesicht.
Am 7. Juli 1962 stürzt ein zweimotoriges Charterflugzeug des ägyptischen Geschäftsmanns Prinz Hassan Sayed Kamil bei Riesenbeck in Westfalen ab. In den Trümmern stirbt seine Gattin, er selbst hat kurzfristig umdisponiert, kommt deshalb mit dem Leben davon; die genaue Absturzursache lässt sich angeblich nicht ermitteln. Zwei Monate später, am 11. September 1962, entführen unbekannte Täter den in Heliopolis tätigen Dr. Heinz Krug, der gerade in München seine Familie besucht; der Wagen wird in der Nähe seiner Villa gefunden. Am 8. Oktober reist Isser Harel persönlich nach Paris, um »Damokles« vor Ort zu überwachen. Die damalige Chronologie der Ereignisse legt den Gedanken nahe, dass er an geheimen Verhören von Krug teilgenommen haben könnte, der bis heute verschwunden bleibt. In einem anonymen Schreiben wird Monate später behauptet, der Deutsche sei im November 1962 liquidiert worden.
Am 27. November 1962 öffnet Hannelore Wende, die Sekretärin von Professor Wolfgang Pilz, dem Chefkonstrukteur des deutschen Raketenteams in Ägypten, einen in Hamburg aufgegebenen Luftpostbrief. Dabei explodiert eine Sprengladung: Wende verliert ihr Augenlicht und wird im Gesicht grässlich entstellt. Einen Tag später gibt ein Mann in der Hansestadt ein Luftpostpaket mit wissenschaftlicher Fachliteratur für den »Herrn Direktor der Raketenfabrik in Heliopolis« auf; als Absender ist eine Buchhandlung in Stuttgart genannt. Als ein ägyptischer Mitarbeiter auf der Poststelle die Lieferung öffnet, detoniert eine Bombe. Insgesamt fünf Menschen kommen ums Leben,
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