Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
zehn werden verletzt. Ein zweites Paket wird rechtzeitig in Kairo abgefangen und mit einem Röntgengerät durchleuchtet, auch hier steckt in zwei der Bücher Sprengstoff. Das war das vorläufige Ende einer Briefbombenkampagne, der jemand im Mossad-Hauptquartier mit einem Sinn für schwarzen Humor den Decknamen »post mortem« gegeben hatte.
Anfang 1963 schließlich nehmen Harel, Yitzhak Shamir in Paris und Josef Reismann in Deutschland die Exekution von Hans Kleinwächter in Angriff. Sie wissen, dass er regelmäßig zwischen Kairo und Lörrach pendelt. Agenten kundschaften seine Lebensumstände und Gewohnheiten aus, observieren seine Firma und sein privates Umfeld, legen den Plan für das Attentat fest. Joklik und Ben Gal sind zumindest an den Vorbereitungen, möglicherweise auch am Anschlag selbst beteiligt. Dann folgt die Episode mit der Goercke-Tochter in Basel und die Verhaftung der beiden Agenten in Zürich.
Am 15. März 1963 geht die Schweizer Justiz mit einer Pressemitteilung über die Verhaftung der beiden israelischen Spione an die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft Freiburg stellt einen Auslieferungsantrag, schließlich wiegt der Vorwurf des versuchten Mordes schwerer als jener der Nötigung und Erpressung. Das politische Jerusalem steht unter Schock, Regierungschef Ben-Gurion tobt, Isser Harel sieht sich in die Enge getrieben. Als letzten Versuch, zu retten, was nicht mehr zu retten ist, beginnt er damit, Informationen über Ägyptens Pläne an israelische Journalisten durchzustechen, die diese aber nur über ihre Korrespondenten in Europa veröffentlichen dürfen. Er will auf diese Weise den Eindruck erwecken, die undichte Stelle sei dort und nicht in Tel Aviv zu suchen. Die Folge ist eine geradezu hysterische Pressekampagne über ägyptische Science-Fiction-Waffen, mit denen deutsche Wissenschaftler nunmehr dafür Sorge trügen, dass es doch noch zu einer »Endlösung« der jüdischen Frage komme. Die diplomatischen Drähte zwischen Jerusalem und Bonn glühen, den sensiblen Beziehungen droht ein schwerer Rückschlag, und das alles nur, weil der Memune Harel wie blind und besessen für die »Operation Damokles« gekämpft hat – und inzwischen für sein Überleben an der Spitze des Geheimdienstes kämpft.
Der Malteserritter – ein vormaliger Agent: Otto Joklik war (hier 1997) Anfang der sechziger Jahre an Mordanschlägen des Mossad in Ägypten und Deutschland beteiligt.
Auf einer Ressortbesprechung im Bonner Bundeskanzleramt wurden damals die möglichen Folgen diskutiert: Trotz der diversen Mordanschläge auf deutsche Staatsbürger, so heißt es da, hätten »die deutschen Behörden alle diese Vorfälle mit größter Diskretion behandelt«. Erst als »die Verhaftung der beiden Agenten« bekannt gegeben worden sei, habe das »erhebliche Nervosität in Israel ausgelöst«. Bei alledem sei sehr zweifelhaft, ob ABC-Waffen überhaupt in Ägypten entwickelt werden können. »Auch das von Israel übergebene Material vermittelt keinen Anhaltspunkt dafür«, steht im Protokoll. Am Ende der Sitzung stimmte die Runde darin überein, dass der Bitte des Botschaftsrats aus der Israel-Mission in Köln entsprochen und »zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weitere Erklärung abgegeben werde«.
Selbst David Ben-Gurion, eigentlich ein enger Freund und Förderer Isser Harels, zweifelte nach einem persönlichen Gespräch am 25. März mehr denn je daran, dass »ehemalige Nazis in Ägypten Atomwaffen, bakterielle und chemische Kampfstoffe herstellen«. Der Memune antworte, sein Nachfolger werde »die notwendigen Unterlagen beibringen«, knallte die Tür zu und setzte sein Rücktrittsgesuch auf. Der Premierminister verübelte seinem Geheimdienstchef vor allem, dass er auf den offensichtlichen Hochstapler Otto Joklik hereingefallen war und dadurch die fragilen Beziehungen zu Deutschland aufs Spiel gesetzt hatte. »Ich bedaure die Trennung von einem so loyalen und verdienstvollen Mann«, sagte er zur offiziellen Verabschiedung, »aber ich kann seine politische Haltung in dieser Frage nicht billigen«.
Auch Josef Reismann alias Joe Ra’anan trat von seinem Posten als Operationschef für Deutschland zurück. Otto Joklik und Yosef Ben Gal wurden in Zürich zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt und auf freien Fuß gesetzt, da sie bereits vier Monate in Untersuchungshaft gesessen hatten; das deutsche Auslieferungsersuchen war von den Schweizer Behörden schon vorher abgelehnt worden. Für Joklik endete damit die
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