Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
dort um einen Platz für eine Promotion zu bewerben. Sie traf sich mit den zuständigen Hochschulprofessoren, ließ dann aber nichts mehr von sich hören, obwohl ihr Wunsch positiv beschieden worden war. Dietl beschreibt in seinem Buch »Die Agentin des Mossad« detailliert den Aufbau der Legende in Deutschland, mit Wohnsitzen erst im Frankfurter Grüneburgweg 4 und dann in der Wiesbadener Wilhelmstraße 52 – sowie diversen kleinen Hotels und Pensionen zwischendurch. Das alles sollte dazu dienen, Chambers’ offiziellen Lebensumständen eine möglichst große Glaubwürdigkeit zu verleihen, falls diese irgendwann einmal von irgendwem unter die Lupe genommen werden sollten. Wenn sie für ein paar Tage nach Richmond bei London in ihre dortige Wohnung zurückkehrte, benutzte sie jetzt vorzugsweise einen israelischen Pass auf den Namen Ruth Aloni (oder Alloni).
Das Wiesbadener Ausländeramt erteilte ihr anstandslos eine fünf Jahre gültige Aufenthaltsgenehmigung für eine geplante Studien- und Forschungszeit an der Universität Frankfurt; mit der Bescheinigung wiederum ließ sie sich einen deutschen Führerschein ausstellen, eröffnete Konten bei der Commerzbank und bei der Dresdner Bank, bei der danach regelmäßig Beträge aus der Schweiz eingingen. Absender der Zahlungen: das Genfer Kinderhilfswerk ASED, ein Verein, den Harari speziell für die Jagd auf den »roten Prinzen« gegründet hatte und der bald schon in der Spendenszene so etabliert war, dass er seine Aktivitäten sogar mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF koordinierte.
Und dann kam irgendwann der Anruf, den sie all die Jahre sehnlich erwartet hatte: Das Hauptquartier übermittelte ihr eine verschlüsselte Nachricht. Mike Harari hielt die Zeit für gekommen, seine Kidon-Agentin auf Salameh anzusetzen.
Ali Hassan Salameh (»Abu Hassan«) galt in den siebziger Jahren als Erzfeind der Israelis schlechthin, als Symbolfigur des palästinensischen Terrors. Er war in zahllose blutige Anschläge verstrickt, die ihm später den Namen »der rote Prinz« eintrugen. Der Mossad hielt ihn sogar für einen der Drahtzieher des Attentats während der Olympischen Spiele 1972 in München, obwohl er selbst und andere prominente Figuren des »Schwarzen September« das später energisch dementierten. Mohammed Oudeh (»Abu Daoud«) reklamierte die Urheberschaft des Anschlags für sich und Salah Khalaf (»Abu Iyad«), charakterisierte die israelische Behauptung, Abu Daoud habe zusammen mit »Abu Hassan« am Zaun des Olympia-Geländes den Beginn der Operation beobachtet, als Unsinn (siehe S. 168).
Abu Hassan war der Ziehsohn und Vertraute des PLO-Chefs Yassir Arafat, er kommandierte dessen Eliteeinheit Force 17 , die zu ihrem Namen gekommen war, weil ihr Büro im Hauptquartier der PLO die Durchwahl -17 hatte. Wer also Arafat treffen wollte, musste nur auf Salameh einschlagen. Mehr noch: Wer ihn in einen engen Zusammenhang mit dem abscheulichen Massaker an israelischen Sportlern auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck stellte, wollte damit den Eindruck erwecken, Arafat persönlich trage dafür die Verantwortung. Dabei musste den Mossad-Verantwortlichen klar sein, dass der PLO-Chef sich schon deshalb nicht persönlich in solche Anschläge einmischen würde, um sich hinterher glaubhaft davon distanzieren zu können.
Der Liebling aller Frauen: Ali Hassan Salameh war nicht nur ein palästinensischer Terrorist, sondern auch ein Lebemann. Am Ende wurde ihm offenbar eine Bettgeschichte zum Verhängnis.
Allerdings war Abu Hassan alles andere als ein Waisenknabe, sondern in unzählige Terroranschläge verwickelt, »ein verwegener, abenteuerlustiger Charakter, brutal und intelligent zugleich«, schreibt der ehemalige Caesarea-Agent Victor Ostrovsky in seinem Buch »Der Mossad«. Und er führt dafür auch ein eindrucksvolles Beispiel an: Salameh habe nach Fürstenfeldbruck beschlossen, auf dem römischen Flughafen Fiumicino mit russischen Strella-Raketen die im Anflug befindliche El-Al-Maschine mit Golda Meir abzuschießen; die israelische Ministerpräsidentin plante für den Januar 1973 eine Europareise und wurde am 15. des Monats zu einem Staatsbesuch in Italien erwartet. Die Strella wird mit Hilfe eines von Hand gehaltenen, über die Schulter gelegten Werfers auf ihr Ziel abgefeuert, sie war technisch nicht sehr ausgereift, hatte sich aber als tödliche Waffe gegen langsam fliegende Flugzeuge wie eine landende Passagiermaschine erwiesen. Die Geschosse zu beschaffen, sei
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