Lizenz zur Zufriedenheit
erlebe. Stattdessen falle er „regelmäßig in ein Loch“, wenn es eine Zeit lang sehr gut gelaufen sei. Er sei dann weniger hartnäckig in der Akquise, mache weniger Termine und sei überhaupt „irgendwie demotiviert“. 231
Im weiteren Gespräch lenke ich Michaels Aufmerksamkeit auf sein Elternhaus. Er erzählt, dass er in „ärmlichen“ Verhältnissen aufgewachsen sei. Sein Vater war bis zur Frühpensionierung Hilfsarbeiter auf dem Bau; seine Mutter putzt bis heute nebenbei, um die spärliche Rente aufzubessern. Auch seine zwei älteren Brüder kommen finanziell eher schlecht als recht durchs Leben. Er sei bisher das einzige Familienmitglied, das Abitur gemacht habe und finanziell betrachtet der gehobenen Mittelschicht angehöre. Ich frage ihn, wie früher in seiner Familie über Geld gesprochen wurde. Er berichtet daraufhin, dass insbesondere sein Vater recht häufig über „die da oben“ geschimpft habe, über die „Bürohengste“ und das „ganze Bonzenpack“. Er erinnert sich auch noch daran, dass sein Vater sagte, es sei „o.k., arm zu sein“, weil man so „sein Geld wenigstens ehrlich verdienen“ würde.
An dieser Stelle schlage ich Michael vor, seinen Bedeutungshorizont bezogen auf die Themen Geld bzw. „gut verdienen“ zu explorieren. In der Folge fördern wir u. a. zutage, dass er (zumindest ein Teil von ihm) die vom Vater vorgegebenen Glaubenssätze in puncto Geld verinnerlicht hat. Einerseits möchte er tatsächlich mehr als bisher verdienen, anderseits befürchtet er vorbewusst, dann zu der vom Vater verunglimpften Personengruppe der „Reichen“ zu gehören – was er wiederum mit Ablehnung durch seine Eltern gleichsetzt. Wir arbeiten in der Folge an der Entzerrung dieser Glaubenskonstrukte. Michael erfährt – später auch in einem persönlichen Gespräch mit seinem Vater –, dass er durchaus „gut verdienen“ und gleichzeitig ein „guter Sohn“ sein kann.
Übung
Zufriedenheitswerkzeug: Den Bedeutungshorizont ergründen
Einführung
Der größte Teil unseren Wissens beruht auf ungeprüften (weil zumeist gelernten, also übernommenen) Annahmen. Streng genommen wissen wir eigentlich recht wenig; stattdessen „glauben wir zu wissen“. Das Gros unseres Wissenshorizontes besteht aus (mehr oder weniger) aufeinander aufbauenden Glaubenssätzen und Bedeutungszuschreibungen. 232 Das ist im Prinzip o. k., es sei denn, ein Glaubenssatz ist nachweislich a) faktisch falsch; oder b) von restriktiver Natur, also einschränkend für unsere Wahl-, Handlungs- und allgemein Entwicklungsmöglichkeiten.
Sinn und Zweck
Ziel der Übung ist die Exploration Ihres persönlichen Bedeutungshorizontes. Es geht darum, die Annahmen hinter den Annahmen Ihres Weltmodells kennenzulernen; die Vorbedingungen dessen, was Sie glauben müssen, um glauben zu können, was Sie derzeit glauben. Dies wird Ihnen helfen, potenziell einschränkende Glaubenssätze zu erkennen, zu hinterfragen und zu neutralisieren.
Was Sie dafür benötigen
Nichts außer ein wenig Zeit und am besten Schreibzeug zum Notieren. Hilfreich – aber nicht zwingend notwendig – ist ein Partner, der Sie durch die Übung führt, indem dieser die Rolle des Fragenden einnimmt.
Was Sie besonders beachten sollten
Nach meiner Erfahrung sind viele unserer Glaubenssätze in „Molekülen“ angeordnet. D. h., es gibt zueinandergehörige Glaubenssätze, die aufeinander aufbauen und / oder sich gegenseitig stützen. Ebenso gibt es sehr bedeutsame zentrale Kernglaubenssätze, die die Basis für viele weitere, periphere Annahmen bilden. Diese sind uns in der Regel nicht vollständig bewusst, aber durch hartnäckiges Hinterfragen schließlich doch zugängig. Diese Kernglaubenssätze sind Schlüssel zu nachhaltiger Veränderung. Schafft man es, einen Kernglaubenssatz zu verändern, so verändern sich die peripheren Bedeutungskonstruktionen typischerweise mit.
Was idealerweise dabei herauskommt
Die Übung kann einerseits dazu dienen, eine Art Inventar Ihrer Glaubenssätze anzulegen; es ist ein lohnenswertes, weil einsichtsvolles Unterfangen, den eigenen Bedeutungshorizont und dessen Vorbedingungen zu ergründen. Noch wichtiger ist allerdings, dass dieses Werkzeug Sie dabei unterstützt, einschränkende Glaubenskonstruktionen zu erkennen und zu disputieren – was wiederum der erste Schritt zu neuen günstigeren Bedeutungsgebungen ist.
Übersicht verschiedener Fragetechniken
Vorannahmen hinterfragen
Herkunft und Kontext klären
Den systemischen
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