Lizenz zur Zufriedenheit
in meiner Studie verwendeten Zufriedenheitsskala. All das mag subjektiv ein wenig unfair erscheinen, macht aber aus evolutionärer Sicht durchaus Sinn: Eine etwas pessimistischere Weltsicht hat nämlich in bestimmten Kontexten essenzielle Vorteile. So weiß man, dass dieser Schlag Mensch Gefahren realistischer einschätzt und daher im Mittel über Situationen hinweg etwas vorsichtiger agiert. Das ist total hilfreich, wenn man in der Nachbarschaft von Säbelzahntigern wohnt – oder in einem Atomkraftwerk arbeitet. 27
Notorische Spaßbremsen und geborene Frohnaturen
Woher weiß man aber konkret, dass der Anteil der genetischen Disposition etwa 50 % unseres Wohlbefindens erklärt? Die Antwort darauf geben – wie so häufig in diesem Bereich der Forschung – Zwillings- und Adoptionsstudien. Die Logik dahinter ist bestechend einfach: Wenn man eineiige Zwillinge, die per Definition genetisch identisch sind, bei der Geburt trennt, sie also in komplett unterschiedlichen Familien (und ggfs. Ländern) aufwachsen lässt, dann können spätere Gemeinsamkeiten in Persönlichkeit und Verhalten logischerweise nur aus dem gemeinsamen Genpool resultieren, nicht aus der Sozialisation. Ähnliches, nur mit umgekehrten Vorzeichen, gilt für Adoptivkinder: Hier lässt sich stabil nachweisen, dass diese ihren nicht adoptierten Geschwistern nur unwesentlich ähnlicher in Persönlichkeit und Verhalten sind als jeder beliebige andere Mensch. 28 Ergo: Auch hier setzt sich die Macht der Gene nachhaltig durch. Und im Mittel über viele Studien hinweg zeigt sich eben, dass die Gene für ca. 50 % unseres Glücksgefühls verantwortlich zeichnen; der Rest geht auf das Konto anderer Faktoren. 29 Was bedeutet das nun für die Veränderung der Lebenszufriedenheit?
Die Glücks-Baseline: Warum die Lottofee Sie vielleicht reich, aber nicht glücklich(er) macht
Jeder Mensch hat eine natürliche Baseline, also eine Null-Linie, zu der das subjektive Zufriedenheitsgefühl unter normalen Umständen nach Ausschlägen nach oben oder unten wieder zurückkehrt. 30 So hat man herausgefunden, dass ein millionenschwerer Lottogewinn Menschen für einige Monate einen Glückskick gibt, aber spätestens nach ein bis zwei Jahren sind ihre Zufriedenheitswerte wieder ungefähr auf dem Niveau zur Zeit vor den „Sechs Richtigen“. 31 Gott sei Dank funktioniert dies aber auch in umgekehrter Richtung: Menschen, die durch einen Unfall querschnittsgelähmt werden, verlieren temporär deutlich an subjektivem Wohlbefinden. Doch ebenso wie die Lottokönige kehren sie in puncto Befindlichkeit nach Ablauf einer Karenzphase wieder weitestgehend dorthin zurück, wo sie schon vor dem Unfall waren. 32 Zusammen mit den Erkenntnissen aus dem vorigen Abschnitt bedeutet das: Wer qua Genlotterie tendenziell ein Trauerkloß ist, wird sich im Laufe seines Lebens nur mit sehr engagierter Arbeit an und mit sich selbst in eine echte rheinische Frohnatur verwandeln – aber es ist definitiv möglich.
Zum Glück hat sich seit der ersten Beschreibung der Glücks-Baseline (zu Beginn sah man sogar bis zu 80 % Verantwortung beim Erbgut) gezeigt, dass die Gene nicht ganz so streng mit uns sind. Veränderung ist möglich. 33 In einem gewissen Rahmen. Und das ist auch gut so, denn ansonsten könnte ich die Schreiberei jetzt einstellen. Warum ich das nicht tue, verrate ich gleich. Vorher kommt es aber noch ein wenig dicker.
Sisyphos und das hedonische Hamsterrad
Nicht genug, dass unsere Gene zu einem guten Teil vorgeben, wie glücklich wir werden (können): Wenn wir es dann doch einmal schaffen, unser Zufriedenheitsniveau anzuheben (das funktioniert z. B. durch eine Heirat, liebe Männer), so gewöhnen wir uns sehr schnell an diese Änderung unserer Lebensumstände; wir sind also langfristig in der Ehe kaum glücklicher als vor der Hochzeit (.... liebe Damen). 34 Menschen haben Gott sei Dank die Fähigkeit, sich schnell an neue Kontexte anzupassen. Diese hohe Anpassungsfähigkeit ist eines der Merkmale, welche uns als Spezies so erfolgreich machen. Sie hilft uns ungemein, mit widrigen oder komplett neuen Lebensumständen klarzukommen. Auf der anderen Seite ist sie der Feind des gefühlten Fortschritts: Zwar rollt unsere Zufriedenheitskugel nicht auf der anderen Seite des Berges wieder hinunter wie beim armen Sisyphos; eher verdrängen wir mit der Zeit die Tatsache des Aufstiegs und machen uns alsbald auf die Suche nach weiteren Gipfeln. Konkret besteht also immer die Gefahr, dass ein ehedem
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