Lloyd, Sienna
versteckt, ohne um Erlaubnis zu fragen.
Ich suche nach dem Türknauf, doch es gibt keinen, also lege ich meine Hand auf den Spiegel und drücke. Dann höre ich ein Klicken und die Tür öffnet sich. Ich trete schüchtern ein und frage, ob hier jemand ist. In dem Moment, als ich einen Fuß auf den Perserteppich setze, wird mir klar, dass ich in Gabriels „Höhle“ bin. Das Zimmer ist etwa 50 m 2 groß. In der Mitte gibt ein Schreibtisch aus Nussbaumholz den Ton an: Es ist ein ruhiger Ort, um zu arbeiten, zu meditieren und alleine zu sein. Alles ist sehr ordentlich, aufgeräumt und sortiert. Die Accessoires aus schwarzem Leder wie die Schreibunterlage, der Stiftehalter und der Terminplaner verleihen einen Hauch von Eleganz; nichts wird dem Zufall überlassen. Außerdem erspähe ich ein Tintenfass und eine abgenutzte Feder, daneben zwei Mont-Blanc-Stifte und einen Aschenbecher mit einer angerauchten kubanischen Zigarre darauf.
Auf der anderen Seite des Zimmers stehen Regale voller Bücher und vier alte Klubsessel sowie ein Servierwagen, auf dem unzählige Karaffen aus Kristallglas abgestellt sind. Man könnte meinen, im Hauptquartier eines exklusiven Klubs zu sein, dem Rotary Club zum Beispiel, in dem sich die Lords treffen, während ihre Frauen in einem anderen Zimmer Tee trinken.
Das plötzliche Klicken der Tür lässt mich hochschrecken. Gabriel steht mit offenem Mund im Türrahmen.
„Was machst du hier?“
„Oh, Gabriel, ich … Entschuldige, ich wusste nicht …
„Héloïse, warum spionierst du in diesem Zimmer herum?“
„Nein, das stimmt nicht, ich spioniere nicht herum! Ein Licht hat meine Aufmerksamkeit erregt … Ich bin nur vollkommen hin und weg von diesem Schreibtisch.“
Gabriel geht schnellen Schrittes zu seinem Schreibtisch. Er stellt sicher, dass die linke Lade versperrt ist. Dann entspannen sich seine Gesichtszüge, aber ich kann die Wut in seinen Augen immer noch sehen.
„Das ist mein Zuhause. Du musst lernen, die Regeln zu respektieren, Héloïse. Hat man dir das nicht beigebracht?“
Ich beginne, innerlich zu kochen. Ich bin nicht stolz darauf, das Zimmer ohne Erlaubnis betreten zu haben, und ich schäme mich auch dafür, dabei erwischt worden zu sein, aber ich ärgere mich über den bevormundenden Ton, in dem er mit mir spricht.
„Ich überschreite ein einziges Mal die Grenzen und Sie stellen meine gesamte Erziehung infrage? Ich bin alleine, eingesperrt. Eingesperrt mit einem Mann, den ich anbete, und seiner Frau, die nach jahrelanger Abwesenheit plötzlich wieder auftaucht. Ich muss ihre Versöhnung mit ansehen, den Mund halten, einiges einstecken, jeglichen Verdacht von mir weisen, darf mich Charles nicht zu sehr annähern, weil Ihnen das nicht recht ist, und muss Ihre nächtlichen Besuche und Ihr Verschwinden im Morgengrauen akzeptieren. Und dann mache ich EINEN Fehler, einen verdammten Fehler und was bekomme ich dafür, nachdem ich Sie vier Tage nicht gesehen habe und mir die Haare habe schneiden lassen, nur um Ihnen zu gefallen?“
Ich bin rot vor Wut und völlig außer Atem nach meiner unmissverständlichen Tirade. Ich gehe durch das Zimmer und laufe gegen eine flaschengrüne Stehlampe aus Velours, die ich gerade noch auffangen kann. Gabriel hält mich an meinem Arm fest und sieht mich eindringlich an, doch ich entdecke eine gewisse Zärtlichkeit in seinen Augen.
„Ich entschuldige mich.“
„Und das nicht zum ersten Mal.“
„Die letzten Tage mit Rebecca waren sehr schwierig.“
„Das tut mir leid für Sie. Ich hoffe, Sie können diese Krise gemeinsam bewältigen.“
Ich reiße mich von ihm los.
„Du bist so schön. Dein Hals, ich …“
„Ich mache mich wieder an die Arbeit.“
Gabriel packt meinen Hals und küsst ihn zärtlich. Seine Zunge streichelt mich, ich erschauere.
„Du bist so schön, sieh doch.“
Er nimmt meine Hand und legt sie auf seine Hose. Ich spüre sein pulsierendes Glied. Unweigerlich beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange, um der Versuchung nicht zu erliegen.
„Ich muss arbeiten, Gabriel.“
Ohne mich umzudrehen, stürme ich aus dem Zimmer. Mit dieser Begegnung habe ich nicht gerechnet. In meinen Gedanken war ich auf alles vorbereitet, doch dieser Zwischenfall hat unser Verhältnis einfrieren lassen. Gabriel gefällt mir und ich kämpfe unweigerlich dagegen an, ständig an „uns“ zu denken, aber ich musste ihm einfach sagen, was ich auf dem Herzen habe. Es ist zu einfach, sich mit Entschuldigungen aus der Affäre ziehen
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