Lob der Faulheit
Radsportler Lance Armstrong, mehrfacher Sieger der Tour de France, später allerdings massiven Dopingvorwürfen ausgesetzt, hat in seinem Buch »Tour des Lebens« beschrieben, welche Strapazen das Training und die Radrennen mit sich brachten. Er war jedoch so besessen von der Idee, der beste Radfahrer aller Zeiten zu werden, dass er ein schlechtes Gewissen bekam, wenn er während des Trainings keine starken Schmerzen litt. Er hatte gelernt, die Qualen zu lieben.
An diesen Beispielen sieht man, wie Menschen in der Lage sind, Schmerz und Lust in ihr Gegenteil zu verkehren. Wenn es ihnen misslingt, ihr Leiden zu überwinden, kann es geschehen, dass sie es genießen. Sie entwickeln einen seltsamen Stolz auf sich für das Aus- und Durchhalten eigentlich unerträglicher Zustände.
Auf diese Weise schafft die Mehrheit der Angestellten es, mithilfe von Disziplin ihre ungeliebten Jobs durchzustehen. Sie gehen
dabei allerdings das Risiko ein, vor Erreichen des Rentenalters körperlich oder seelisch zusammenzubrechen.
Viele haben keinen Spaß am Sport, quälen sich aber hindurch, weil sie glauben, es gehe nicht anders, es sei gesund oder nütze ihrer Mannschaft. Einige möchten unbedingt eine Medaille oder einen Titel gewinnen. Der Preis ist enorm hoch: kaputte Muskeln, Sehnen, Gelenke und Knochen. Eine große Zahl von Leistungssportlern ist vom Burn-out bedroht. Dem Fußball-Torwart Oliver Kahn – ein Musterbeispiel für harte Arbeit und Disziplin – war immer anzusehen, dass er von einem extremen Ehrgeiz angetrieben war, sich nie die Freude über einen Sieg erlaubte, sondern jeden Erfolg sofort herunterspielte und auf die nächste Herausforderung schaute. Nach dem Ende seiner Karriere hat er eingeräumt, dass er zeitweise unter Burn-out litt.
Was ist das für ein Irrsinn, die Lust am Leiden höher zu bewerten als die Freude am Leben!
Im Jammertal der Säbelzahntiger
Disziplin ist die Folge eines negativen Weltbilds. Nicht wenige wähnen sich täglich in einem gnadenlosen Überlebenskampf. Sie glauben, dass überall Mangel herrsche und alle um die knappen Ressourcen konkurrierten. Nur die Stärksten würden sich durchsetzen. Diese Ideologie gipfelte in der Forderung Hitlers, der deutsche Junge müsse rank und schlank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl. Sonst habe das deutsche Volk keine Zukunft. Nicht mehr in dieser extremen Form, aber ansonsten unversehrt, lebt diese Vorstellung bis heute fort.
Die Wirtschaft schürt den Glauben, dass die Waren knapp seien. Sie sieht die Nationen in einem unerbittlichen Wettbewerb. Jeder Einzelne stehe in Konkurrenz zu seinem Nächsten. Nur die Besten würden sich im Kampf um Arbeitsplätze, Geld und Märkte durchsetzen. Wer nicht mithalten könne, gehe unter.
Das Christentum glaubt seit Jahrhunderten, die Menschheit lebe in einem Jammertal. Wie einst das auserwählte Volk in der Wüste wanderten die Menschen durch ein schier unendliches Tal der Tränen. Die Hoffnung auf ein angenehmes Leben auf der Erde sei unbegründet. Allenfalls könne man bei guter Führung später im Himmel eine Belohnung erwarten. Bis dahin müsse man sich gedulden. Es sei nun einmal unabänderlich, dass die Menschen im Diesseits zahlreiche Qualen litten. Christus am Kreuz sei das beste Sinnbild dafür.
Damit es für den Christenmenschen und erst recht alle Heiden nicht zu lustig auf dieser Erde wird, hat sich die Kirche eine
Menge einfallen lassen. Inquisition, Hexenjagd, Folter und Scheiterhaufen bereiteten den Menschen in der Tat die Hölle auf Erden. Damit nicht genug: Die Priester beflügelten die Fantasie der Leute, sodass sie allein schon bei dem Gedanken an den Tod und das Jenseits in Ängste und Depressionen verfielen.
2.000 Jahre Mord und Gräuel haben aus der Welt fürwahr ein Jammertal gemacht. Die Verbrechen, die im Namen Gottes begangen wurden, sind so zahlreich, dass es dem Kirchenkritiker Karlheinz Deschner leicht fiel, eine auf zehn dicke Bände angelegte »Kriminalgeschichte des Christentums« zu schreiben.
Der Glaube an die Schlechtigkeit der Welt scheint zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden zu sein. Die Priester versprachen Lösungen für Probleme, die die Menschen ohne sie nicht gehabt hätten. Die »Frohe Botschaft« kam irgendwie nicht durch.
Der Buddhismus hat glücklicherweise keine Kriminalgeschichte wie das Christentum vorzuweisen. Wie schon der Begründer, der stets lächelnd
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