Lob der Faulheit
von Arbeit ist obsolet geworden (50 Jahre im selben Betrieb, 40 Wochenarbeitsstunden und vier Wochen Urlaub).
Die Realität der Familien sieht anders aus. Es gibt ca. 1,6 Millionen Alleinerziehende in Deutschland. Das sind etwa 20 Prozent aller Familien mit Kindern. Die Zahlen nehmen kontinuierlich zu. Mit einem alleinerziehenden Elternteil zu leben bedeutet nicht, dass die Kinder nie beide Eltern zu sehen bekommen, nur eben nicht unter einem Dach.
Idyllische Bauernhöfe sind nur noch selten zu finden. Aus der Landwirtschaft ist eine Agrarindustrie geworden. Großmastanlagen mit Tausenden oder Zehntausenden von Rindern, Hühnern oder Schweinen stellen heute die Norm dar.
Und die Erwerbsbiographien? Sie werden mehr und mehr zu sogenannten Patchwork-Karrieren. Beschäftigung wechselt mit Arbeitslosigkeit ab, Vollzeit mit Teilzeit, Selbstständigkeit mit Anstellung. Die Unternehmen müssen alle paar Wochen, Monate oder Jahre gewechselt werden, ebenso die Berufe und Beschäftigungsorte. – Moderne Zeiten!
Die Produktivität hat in den letzten 100 Jahren so stark zugenommen, dass die Arbeit immer knapper wird. Die Maschinen in Landwirtschaft, Industrie und Verwaltung sind so leistungsfähig geworden, dass Millionen Arbeitsplätze für immer wegfallen, Tendenz auch hier zunehmend. Egal ob Roboter in der Fertigung, Monster-Transporter auf den Autobahnen oder Computer in den Büros: Die Arbeit wird von immer weniger Menschen geleistet.
Ist das gut oder schlecht? Zunächst einmal ist es eine Tatsache. Wir erleben – zugespitzt formuliert – das Ende der Arbeit. Jahrhundertelang haben Menschen davon geträumt, von der Last schwerer Arbeit befreit zu sein. Sie wollten gerne faul sein können!
Der Traum ist wahr geworden. Aber wir sind darauf schlecht vorbereitet. Arbeitslosigkeit wird erstens nicht positiv bewertet. Zweitens wird sie dem Individuum vorgeworfen, obwohl sie das Ergebnis einer strukturellen Veränderung ist. Wir sind Zeitzeugen einer revolutionären technischen Entwicklung. Die Zahl von freien Stellen und die der Arbeitslosen geht schon lange nicht mehr auf. Man kann es drehen und wenden wie man will: 2,8 Millionen Arbeitslose stehen 0,5 Millionen freie Stellen gegenüber (amtliche Zahlen vom Juni 2006). Und drittens halten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer noch am Zusammenhang von Arbeit und Einkommen fest. Das führt zu einer zunehmenden Verarmung. Mit der Arbeit geht die Haupteinnahmequelle für immer mehr Menschen verloren.
Unsere selbsternannte Elite mag noch so sehr Disziplin und Arbeitseifer predigen. Die Hartz IV-Befürworter mögen so viel
fordern und fördern, wie sie wollen. Sollen sie das Rentenalter auf – sagen wir: 85 – Jahre erhöhen. Es wird nichts ändern. Im Gegenteil: Wir rasen dann nur noch schneller auf die Mauer zu. Ihr Name heißt Realität. An ihr wird die Illusion der Vollbeschäftigung früher oder später (eher früher!) zerschellen.
Abraham Lincoln hat es auf den Punkt gebracht: »Du kannst einige Leute die ganze Zeit zum Narren halten, und alle Leute einige Zeit, aber du kannst nicht alle Leute die ganze Zeit zum Narren halten.«
Aus dem Dilemma der zunehmenden Arbeitslosigkeit und Verarmung auf der einen und der enormen Produktivität auf der anderen Seite führen im Prinzip nur zwei Wege heraus. Entweder wir schaffen die Arbeit sparenden Maschinen einschließlich der Computer wieder ab oder wir verteilen die Arbeit und das Einkommen neu.
Für viele sieht das im Moment noch aus wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Vielleicht gibt es noch andere Auswege. Nur eines ist sicher: Wir können auf Dauer nicht so weitermachen wie bisher. Extremer Arbeitseifer und hochleistungsfähige Produktionsmaschinen sind eine unheilvolle Verbindung eingegangen.
Wir müssen aufhören, rund um die Uhr zu arbeiten. Die Sonn-und Feiertagsarbeit ist binnen weniger Jahre um zehn Prozent auf etwa 30 Prozent aller Erwerbstätiger gestiegen. Immer mehr Menschen brechen mit Burn-out zusammen. Nach Schätzungen sind neun Millionen in Deutschland davon betroffen. Im ebenfalls arbeitswütigen Japan kennt man einen eigentümlichen Ehrentod namens Karoshi. Wer nach einer festgelegten
Zeit ununterbrochener Arbeit tot umfällt, darf sich zu dieser verdienstvollen Legion zählen.
Es hat den Anschein, als seien wir dabei, die letzten Reserven zu mobilisieren. Wir arbeiten Tag und Nacht, montags bis sonntags, selbst an Feiertagen. Alle
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