Lob der Faulheit
eines Menschen darf nicht länger mit seiner Leistungsfähigkeit gleichgesetzt werden. Diese unmittelbare Verknüpfung diskriminiert jetzt schon permanent Arbeitslose, Alte und Behinderte. Sie würde es darüberhinaus in Zukunft unnötig erschweren, dass die Mehrheit sich zur positiven Faulheit bekennt.
Stellen Sie sich einmal vor, wir wären eine große Familie. Während die einen mit übergroßem Arbeitseifer enorme Mengen an Lebensmitteln und Waren produzieren, über Geld und Ansehen
verfügen, stehen die anderen in der Ecke und dürfen nicht mitmachen. Sie bekommen weder Arbeit noch Geld noch Zuspruch. Schlimmer noch: Die Politiker in der Familie sagen ihnen, dass sie eigentlich nicht einmal mehr essen dürften. Sie seien an ihrer Situation selber schuld. Sie sollten gefälligst arbeiten. Während sie das sagen und denen in der Ecke das Geld weiter kürzen und sie drangsalieren, erhöhen sie ihre eigenen Einkommen und Altersbezüge. – Was ist das für eine Familie?
Um ihnen die Antwort zu erleichtern, möchte ich die Kriterien einer dysfunktionalen, also kranken, gestörten Familie auflisten:
– Mangel an Mitgefühl und Verständnis für bestimmte Familienangehörige;
– ständige starke Spannungen und Konflikte, hohes Stressniveau.
– Einige Familienmitglieder gelten als die Lieblinge, andere werden als schwarze Schafe abgestempelt und an den Rand gedrängt.
– Das dysfunktionale Verhalten wird geleugnet, als normal angesehen oder sogar für richtig und gut erklärt.
– Versprechen werden gebrochen.
– Einzelne Mitglieder der Familie werden ausgegrenzt, diskriminiert.
Das sind nur einige Merkmale einer kranken, gestörten Familie. Und jetzt noch einmal meine Frage:
Was sind wir für bloß für eine Familie?
Darf Arbeit sinnvoll sein?
»Hauptsache, Arbeit!«, »Wie geht’s bei der Arbeit?«, »Muss ja!« Das sind die alltäglichen »Bekenntnisse« arbeitender Menschen. Arbeit wird überwiegend als Last statt als Lust empfunden. Sie ist entfremdet. Das heißt, man identifiziert sich nicht mit ihr, weil man weder den Zweck der Arbeit noch die konkrete Ausführung noch die Ergebnisse entscheidend mitbestimmen darf.
Industriekonzerne, Großbetriebe der Landwirtschaft, staatliche und kommunale Verwaltungen bieten Arbeit an. Wer will oder (meistens) muss, greift zu. Der »Job« wird angenommen, weil man das Geld braucht. Deshalb ist der Montagmorgen verhasst und der Freitagnachmittag herbeigesehnt. Das gilt allerdings nur für die Arbeitnehmer mit regelmäßigen Arbeitszeiten. Diejenigen, die auch nachts, sonn- und feiertags schuften müssen, kommen kaum noch in den Genuss eines Feierabends oder eines freien Wochenendes.
Die Entfremdung der Arbeit betrifft nicht nur die so genannten kleinen Arbeiter und Angestellten, sondern ebenso die oberen Ränge, also die Vorstände und ManagerInnen bedeutender Unternehmen. Denen ist es heute auch egal, ob sie Autos, Waschmaschinen, Aktien oder Pudding verkaufen. Hauptsache, Arbeit. Hauptsache, Geld.
Mit dem Argument, dass sie Arbeitsplätze schafft, lässt sich fast jede Politik begründen. Umgekehrt wird gerne das Schreckgespenst beschworen, eine echte Reform würde Arbeitsplätze kosten. Basta! In Zeiten versteckter Massenarbeitslosigkeit ziehen solche schamlosen Rechtfertigungen.
Unsere Schulen sind weitgehend dafür da, aufs Arbeitsleben vorzubereiten. Die Kinder müssen irgendwo geparkt werden, während ihre Eltern sich abstrampeln, das Geld für die Miete und das Essen zusammenzubringen. Früher konnte ein Einzelner eine Familie ernähren. Diese Zeiten sind vorbei. »Working poor« gibt es inzwischen nicht nur in den USA. So werden dort die Armen bezeichnet, die trotz großen Fleißes nicht mehr genügend Einkommen erzielen. Wenn Menschen hart arbeiten und trotzdem arm sind, dann stimmt in der Gesellschaft etwas Grundsätzliches nicht mehr.
Dürfen die SchülerInnen bestimmen, was sie lernen wollen? Nein, natürlich nicht. Wo kämen wir da hin? Sie dürfen später ja auch nicht bestimmen, was produziert wird. In erster Linie geht es darum, dass die SchülerInnen frühmorgens zur Schule kommen und dort bis zum späten Nachmittag bleiben. So werden sie früh an die folgenden Arbeitszeiten gewöhnt. Je weniger Freizeit sie haben, desto besser.
Kinder sind morgens oft noch viel zu müde zum Lernen. Aber das ist egal. Sie sollen Disziplin lernen: morgens pünktlich erscheinen, obwohl sie lieber noch im Bett bleiben
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