Lob der Faulheit
würden, und dem Lehrer gehorchen, auch wenn ihre Lerninteressen missachtet werden. Das sind Fähigkeiten, die sie im Berufsleben noch gut gebrauchen können, wenn es darauf ankommt, gar nicht erst zu überlegen, ob die Arbeit sinnvoll ist.
Vielleicht finden Sie, dass ich ein zu negatives Bild von unserem Schulsystem zeichne. Ich würde es gerne anders darstellen. Aber was soll man von Schulen halten, in denen die Noten der Disziplinierung
der SchülerInnen dienen? Die es nur selten schaffen, dass die Jugendlichen nach jahrelangem Sprachunterricht in der Lage sind, sich in den gelernten Fremdsprachen zu unterhalten oder auch nur die einfachsten Dinge in entsprechenden Ländern zu regeln? Schulen, die nicht einmal imstande sind, allen Kindern gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift zu vermitteln?
Nachdem lange Zeit die Universitäten Freiräume für kritisch denkende Menschen waren, sahen sich die Landesregierungen veranlasst, dem einen Riegel vorzuschieben. Heute sind die Universitäten »verschult«. Man könnte auch sagen »verfirmt«. Der Einfluss der Wirtschaft auf die Hochschulen ist nämlich enorm gestiegen. Der Leitungsdruck ebenso. Strikte Lehrpläne machen es schwer, sich dem entfremdeten Lernen zu entziehen, wie ich am Beginn des Buchs geschildert habe.
Oft wird gesagt, dass Schulen und Hochschulen auf das Leben vorbereiten sollen. Diesem Anspruch genügen sie. Sinnlose Lerninhalte vermitteln bestens, was viele später in ihren Jobs erleben: Sinnlosigkeit.
Macht es Sinn,
– immer mehr Autos zu produzieren, obwohl die Staus auf den Autobahnen immer länger werden und Parkplätze immer schwerer zu bekommen sind;
– immer mehr Waffen zu produzieren und gleichzeitig die Kriege in der Welt zu beklagen;
– Beschäftigungsgesellschaften zu unterhalten, die nichts anderes produzieren als Beschäftigung?
Ist es sinnvoll,
– Personenzüge herzustellen, die entweder aus den Gleisen springen oder in kurzen Abständen kontrolliert werden müssen, damit sich Zugkatastrophen nicht wiederholen;
– immer größere Flugzeuge und Flughäfen zu bauen, obwohl Flugzeuge hunderte Millionen Tonnen Treibhausgase erzeugen und damit zum Ozonkiller Nummer eins werden und das globale Klima im wahrsten Sinn des Wortes »anheizen«;
– möglichst jeden freien Quadratmeter Boden zu bebauen, die Grünflächen mit Stein, Asphalt und Beton zu versiegeln, damit darunter jedes Leben abstirbt?
Macht es wirklich Sinn,
– Milliarden in ein Gesundheitssystem zu stecken, das diesen Namen nicht mehr verdient;
– die Schulen so zu konzipieren, dass sie trotz aller Disziplin immer weniger funktionieren;
– rund um die Uhr zu arbeiten, wenn dadurch die Lebensqualität nicht zu-, sondern abnimmt?
ÄrztInnen, RichterInnen, LehrerInnen, FacharbeiterInnen, Verwaltungsangestellte und viele andere mehr leiden darunter, dass sie zunehmend sinnlose Arbeit leisten müssen. Sie strengen sich aufs Äußerste an und dennoch führen ihre Leistungen nicht zu mehr Gesundheit, Gerechtigkeit und Bildung. Oder sie produzieren Überschüsse, die die Umwelt belasten. Oder sie werden trotz großer Mühe den Wünschen der BürgerInnen nicht gerecht.
Die Sinnlosigkeit der Arbeit wird dadurch begünstigt, dass unsere Gesellschaft Arbeitssucht positiv beurteilt und sogar fördert. So wie ein Alkoholiker trinkt, was immer er bekommen
kann, so ist es einem Workoholic egal, was er arbeitet. Der Sinn spielt keine Rolle. Die Menge ist wichtiger als die Qualität.
In Führungspositionen ist es selbstverständlich, immer im Einsatz zu sein. Die Bundeskanzlerin und die Minister sind jederzeit erreichbar. Die Vorstandsvorsitzenden großer Konzerne brüsten sich mit der Zahl ihrer Flugkilometer. Verhandlungen bis in die Morgenstunden erhöhen das Ansehen.
Die Familienbeziehungen und andere soziale Kontakte werden für die Arbeit, die über alles geht, gern geopfert. Ehefrauen, die die ständige Abwesenheit ihrer arbeitssüchtigen Männer nicht mitmachen wollen, werden kurzerhand durch neue ersetzt oder es wird ganz auf sie verzichtet. Sie sind dem Arbeitssüchtigen irgendwann egal. Die Kinder werden für PR-Zwecke missbraucht. Es werden keine Beziehungen zu ihnen aufgebaut. Nach außen scheint alles in Ordnung zu sein. Doch in Wirklichkeit existiert kein Privatleben.
Wer solch einen extremen Einsatz zeigt, hat kein Verständnis für MitarbeiterInnen, die abends nach Hause gehen, ein freies Wochenende haben und regelmäßig
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