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Lob der Faulheit

Lob der Faulheit

Titel: Lob der Faulheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Hohensee
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denken, etwas Ähnliches wie den Emissionsrechtehandel aufzuziehen. Jeder hätte, sagen wir, einen Anteil von zehn Wochenarbeitsstunden, den er auf auf diejenigen übertragen könnte, die gerne 20, 30, 40 oder 50 Stunden in der Woche arbeiten möchten. Warum nicht?
     
    Jeder könnte in diesem irdischen Paradies, in dem Milch und Honig fließen, ohne große Anstrengung leben. Und was tun wir? Wir machen aus dieser himmlischen Situation ein Drama mit bedrückender Armut auf der einen und unbeschreiblichem Luxus auf der anderen Seite. Wollen Sie, dass das so bleibt?

    Jahrhundertelange Gehirnwäsche
    Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte. Wenn heute viele meinen, Disziplin und Arbeitseifer seien gut, Faulheit dagegen schlecht, so ist das nicht ihre eigene Erkenntnis, sondern Teil der überlieferten Glaubenssätze unserer Gesellschaft. »Ohne Fleiß kein Preis«, »Morgenstund hat Gold im Mund«, »Der frühe Vogel fängt den Wurm«, »Müßiggang ist aller Laster Anfang«, »Faul wie die Sünde sein«: Es mangelt nicht an Sprichwörtern und Redensarten, die das süße Leben verteufeln und harte Arbeit verherrlichen.
     
    Die Grundüberzeugung aller Disziplinierten und Arbeitseifrigen kommt wohl am besten in der Bibel, Psalm 90, Vers 10 zum Ausdruck: »Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.«
     
    So hat es Luther übersetzt und so hat es sich ins kollektive Bewusstsein eingebrannt: Arbeit als das Köstlichste im Leben.
     
    Faulheit ist nach dem Katechismus der Katholischen Kirche eine der sieben Todsünden. Allerdings ist fraglich, ob es sich dabei nicht um einen Übersetzungsfehler handelt. »Acedia« bezeichnet wohl eher die Nachlässigkeit, die Trägheit des Herzens und als Gemütszustand die Traurigkeit und Melancholie, also das, was wir heute »Depression« nennen würden; denn zu den »Töchtern« der Acedia gehören die Verzweiflung und die Gleichgültigkeit.

     
    Verständlicherweise waren die Könige und Päpste dieser Welt sehr daran interessiert, dass ihre Untertanen fleißig waren. Sie selber arbeiteten nämlich nicht. (Das ist übrigens nicht die Faulheit, die ich meine!) Vielmehr verlangten sie Abgaben von ihren Landeskindern. Sie schöpften die Überschüsse der Bauern und Handwerker ab, die denen ein bequemes Leben erlaubt hätten. Waren keine Überschüsse vorhanden, bedeutete das für das Volk, dass es hungern musste, um der Kirche und dem Königshof ein feudales Leben zu ermöglichen.
     
    Man könnte darüber nachdenken, inwieweit sich solche Hofstaat-Allüren bis in die Moderne fortgesetzt haben. Die Regierung mit ihrem Beamtenapparat, die Abgeordneten mit ihren Privilegien erwecken nicht immer den Eindruck, als sei ihnen bewusst, dass sie in einer Demokratie eine dienende Aufgabe haben und nicht die Vorherrschaft des Adels mit anderen Mitteln wiederherstellen sollen.
     
    Wenn die üppigen Bezüge der Abgeordneten sprachlich raffiniert als »Diäten« getarnt werden, hohe Altersbezüge schon nach wenigen Jahren verdient sind, während die Normalbevölkerung dafür Jahrzehnte schuften soll, können einem Zweifel kommen, ob sich hier nicht eine neue Klasse etabliert hat, die mit dem gemeinen Volk nichts mehr zu tun haben will. Arbeiten PolitikerInnen eigentlich? Wenn sie stundenlang darüber diskutieren, wie viel die anderen arbeiten sollen, wann die BürgerInnen Rente bekommen und wem welche Leistungen gekürzt werden, muss man das nicht zwangsläufig als Arbeit betrachten. (Auch in diesem Politikerverhalten kommt keine positive Faulheit zum Ausdruck.)

     
    Achten Sie einmal darauf, wer öffentlich Fleiß, Disziplin, und harte Arbeit fordert. Fragen Sie diese Leute nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Prüfen Sie, ob sie eine privilegierte Stellung genießen. Und dann ziehen Sie Ihre Schlüsse.
     
    Wie immer man die heutigen Verhältnisse beurteilt, jedenfalls ließen Adel und Kirche jahrhundertelang keinen Tag vergehen, an dem sie nicht das Blut, den Schweiß und die Tränen ihrer Untertanen verlangten. Sie selber vertrieben sich die Zeit bei der Jagd, mit Mätressen, Fress- und Saufgelagen und ähnlichen Pläsierchen.
     
    Durch Indoktrination und brutale Gewalt wurde den Menschen systematisch jeder Anflug von Faulheit ausgetrieben. Sie wurden buchstäblich zur Arbeit gepeitscht. Höllenqualen wurden ihnen

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