Lob der Faulheit
ungestörten Urlaub machen wollen. Jeder, der nicht arbeitssüchtig ist, wird mit einem missbilligenden Kopfschütteln als »freizeitorientiert« wahrgenommen. Deutschland erscheint solchen Menschen trotz der hohen Leistungsbereitschaft und des übertriebenen Arbeitseifers der meisten BürgerInnen als »Freizeitpark«.
Allerdings wäre es vermessen, von Workoholics zu erwarten, dass sie sich Gedanken über den Sinn ihrer Arbeit machen. Wer würde von einem dem Alkohol Verfallenen verlangen, dass er die Wirkung seines Trinkens noch zutreffend beurteilt?
Reduzierte Vollzeitbeschäftigung
Die 40-Stunden-Woche war schon in den 1960er Jahren anachronistisch. Seitdem ist die Produktivität weiter gewachsen. Angemessen wäre heute allenfalls eine 10- bis 20-Stunden-Woche. Wir brauchen eine neue (reduzierte) Vollbeschäftigung für alle, die gerne arbeiten möchten.
Wünschenswert wäre darüber hinaus ein bedarfsdeckendes garantiertes Grundeinkommen, damit der Zwang zur Arbeit und die Schikanen durch die Arbeitsverwaltung endlich aufhören würden. Wir benötigen keine Mobilisierung der letzten Arbeitsreserven. Es besteht ein Überangebot an Arbeitskräften. Ärzte, AnwältInnen, ArchitektInnen, IngenieurInnen, Kaufleute, Verwaltungsangestellte, BäuerInnen: Wo man auch hinschaut, überall sind mehr als genug. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Faule Menschen braucht das Land. Wir könnten froh sein über jeden, der gegen Zahlung einer »Stilllegungsprämie« bereit wäre, ein Leben ohne Arbeit zu führen. Das garantierte, bedingungslose Grundeinkommen würde dazu führen, dass sich die Beschäftigten beruflich neu orientieren können. Niemand müsste in ungeliebten Jobs ausharren. Die Arbeitgeber müssten sich Mühe geben, ein Betriebsklima zu schaffen, in dem ihre Angestellten sich gerne aufhalten. Derzeit können Arbeitgeber diejenigen einfach wegschicken, denen es nicht passt, weil draußen Millionen andere Schlange stehen. Sie nutzen das Überangebot an Arbeitskräften aus und werden ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland weitgehend zerstört. Allein das ist der Grund, warum es so viel Arbeit gab. Die Häuser mussten wiederaufgebaut werden, ebenso die Fabriken, Schulen, Gemeinde- und Stadtverwaltungen. Jeder, der halbwegs gesund war, wurde mit offenen Armen willkommen geheißen. Schon Mitte der 1950er-Jahre warb man so genannte Gastarbeiter für die Landwirtschaft an, wenige Jahre später auch für die Industrie.
Unternehmen lockten mit Betriebsrenten und anderen Vergünstigungen, um alle Arbeitsplätze besetzen zu können. Es waren goldene Zeiten für Arbeiter und Angestellte. Selbst für Ungelernte und Angelernte war es kein Problem, relativ gut bezahlte Arbeit zu finden. In den Häfen, wo damals noch nicht der Containerbetrieb Einzug gehalten hatte, fanden Arbeiter für einen Tag (sogenannte Tagelöhner) oder länger einen Broterwerb. Wer genug Geld in der Tasche hatte, machte erst weiter, wenn es zur Neige ging. Solch unstete Beschäftigung ist heute völlig verpönt, weil sie als Zeichen mangelnder Arbeitsbereitschaft angesehen wird. Abgesehen davon sind kurzzeitige Beschäftigungen heute fast nur noch im Rahmen von Zeitarbeitsfirmen verbreitet.
Die Nachkriegsjahre haben das Bewusstsein der Menschen geprägt. Deshalb glauben heute noch so viele, Vollbeschäftigung mit 40 Stunden und mehr sei grundsätzlich möglich. In Wirklichkeit war es eine abnorme Situation. Die Kriegsgeneration hatte alles zerstört und musste es wieder aufbauen. Normalerweise muss niemand so hart arbeiten, wie es damals üblich war.
Als die Arbeit dann knapper wurde, weil die Zeit des Wiederaufbaus vorbei war, hörte man hin und wieder Ältere sagen, es
müsse wieder Krieg geben, damit die Menschen Arbeit bekämen. Ist das nicht der blanke Irrsinn?
Manche sagen, es müssten neue Massenprodukte wie das Auto oder die Waschmaschine erfunden werden, damit ein neuer Beschäftigungsboom entstünde. Auch das wird nicht passieren. Diese Erfindungen basierten darauf, dass man in allen Lebensbereichen nach Erleichterungen suchte, die das Leben bequemer machten. Heute leben wir angenehm und komfortabel. Mehr ist kaum möglich.
Wir haben uns nicht nur von schwerer Arbeit befreit, sondern überhaupt von der Notwendigkeit, für ein gutes Leben viel tun zu müssen. Ein paar Stunden pro Woche würden genügen, um den Lebensstandard zu wahren. Man könnte sogar daran
Weitere Kostenlose Bücher