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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ein Bett‹, befand er. Dabei spülte er sich die Hände und trocknete sie ab. Die geräumige, dreischläfrige Matratze erlaubte dem Paar, sich bequemin die eine oder die andere Richtung zu bewegen und sich zu strecken und sogar in selbsttätiger, fröhlicher Umarmung hin und her zu rollen, ohne auf den Boden zu fallen. Sie war weich, aber straff, kräftig gefedert und so perfekt nivelliert, daß jedes Körperglied über sie hingleiten konnte, ohne auf die geringste Unebenheit, das winzigste Hindernis zu stoßen, das einer bestimmten Gymnastik, Position, Verwegenheit oder skulpturalen Parodie während der Liebesspiele entgegenstand. ›Abtei der Unkeuschheit‹, improvisierte Don Rigoberto inspiriert. ›Matratzen-Garten, in dem die Blüten meiner Frau sich öffnen und für diesen privilegierten Sterblichen ihre geheimen Essenzen verströmen.‹
    Er sah in dem kleinen Spiegel, daß seine Nasenlöcher zu pulsieren begonnen hatten, wie zwei kleine hungrige Schlünde. ›Laß mich dich atmen, mein Liebling.‹ Er würde sie vom Kopf bis zu den Füßen riechen und atmen, sorgsam und beharrlich, und an gewissen Stellen mit eigenem, besonderem Aroma lange verweilen und über andere, fade, rasch hinweggehen; er würde sie nasal ausforschen und lieben und sie zuweilen unter ersticktem Lachen protestieren hören: »Da nicht, mein Liebling, du kitzelst mich.« Don Rigoberto verspürte eine leise Anwandlung von Ungeduld. Aber er beeilte sich nicht: Hoffen und Harren macht keinen zum Narren, sondern bereitet darauf vor, mit mehr Sinn und Verstand zu genießen.
    Er gelangte gerade zu den letzten Dingen der Zeremonie,als durch die Fensterritzen, vom Garten herauf, der durchdringende Geruch des Geißblatts in seine Nase stieg. Er schloß die Augen und atmete ein. Er war aufrührerisch, der Duft dieser kapriziösen Kletterpflanze. Tagelang blieb sie verschlossen, ohne ihr grünes Aroma freizugeben, als wollte sie es horten und aufladen; dann plötzlich, zu bestimmten mysteriösen Augenblicken des Tages oder der Nacht, angeregt von der Feuchtigkeit der Umgebung oder den Bewegungen der Gestirne oder gewissen verborgenen Umwälzungen dort unten im Schoß der Erde, wo ihre Wurzeln zu Hause waren, entlud sie diesen süßherben, verwirrenden Hauch auf die Welt, der an braunhäutige Frauen mit langem, gewelltem Haar und an Tänze denken ließ, bei denen man im entfesselten Wirbel der Röcke samtige Schenkel, dunkle Hinterbacken, feine Knöchel und, gleich einem flinken Irrlicht, das Gewirr eines buschigen Schamhügels erkennen konnte.
    Jetzt – Don Rigoberto hielt die Augen geschlossen, und es war, als sei die ganze Energie aus seinem übrigen Körper gewichen, um sich in sein Fortpflanzungsund in sein Riechorgan zu flüchten –, jetzt sogen seine Nasenlöcher den Geißblattgeruch von Doña Lukrezia ein. Und während der laue, komprimierte Duft mit seinen Anklängen an Moschus, Weihrauch, Sauerkraut, Anis, marinierten Fisch, aufblühende Veilchen und jungfräulichen Schweiß wie eine pflanzliche Emanation oder schwefelige Lava in sein Gehirn stieg undes vor Verlangen explodieren ließ, konnte seine Nase, zur Mimose verwandelt, auch jenes geliebte Blatt spüren, die klebrige Berührung der Spalte brennender Lippen, das Kitzeln des feuchten Vlieses, dessen seidige Fasern in seine Nasenöffnungen stachen und das dunstige Narkotikum, das dem Körper seiner Geliebten entstieg, noch stärker wirken ließ.
    Unter großer geistiger Anstrengung – er wiederholte mit lauter Stimme den pythagoreischen Lehrsatz – bezwang er auf halbem Wege die Erektion, die das verliebte Köpfchen zu entblößen begann. Er bespritzte es mit ein paar Handvoll kaltem Wasser, beruhigte es und beförderte es, eingeschrumpft, in seine verschwiegene faltige Hülle zurück. Dann betrachtete er zärtlich den weichen Zylinder, der, nunmehr gelassen, elastisch, leicht hin und her schwingend wie der Klöppel einer Glocke, seinen Unterleib verlängerte, und sagte sich wieder einmal, was für ein großes Glück es war, daß seine Eltern nicht auf den Gedanken gekommen waren, ihn beschneiden zu lassen: seine Vorhaut war eine emsige Erzeugerin wohliger Gefühle, und er war sicher, daß seine Liebesnächte ohne diese zarte Membran ärmer gewesen wären und ihr Verlust vielleicht nicht minder gravierend sein würde, als wenn ihm durch Hexerei der Geruchssinn abhanden käme.
    Und plötzlich mußte er an jene extravaganten Spinner denken, für die das Einatmen ungewöhnlicher, von

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