Lob der Stiefmutter
umbringst.«
Er wurde von einem neuen Lachanfall geschüttelt und ließ sich vornüber aufs Bett fallen. So blieb er eine ganze Weile liegen, das Gesicht in das Kissen vergraben, glucksend und bebend. »Was hat sich nur in diesem verrückten Köpfchen festgesetzt«, murmelte Doña Lukrezia, während sie ihm die Haare zerzauste, die fein waren wie winzige Sandkörner oder Reispulver. »Irgendein schlimmer Gedanke, du Schlingel, vorhin als du rot geworden bist.«
Sie hatten eine von Don Rigobertos kurzen Geschäftsreisen durch die Provinz ausgenutzt und zum ersten Mal die Nacht miteinander verbracht. Doña Lukrezia hatte am Abend zuvor dem gesamten Personal Ausgang gegeben, so daß sie sich allein im Haus befanden. Nachdem sie zusammen gegessen und ferngesehen und darauf gewartet hatten, daß Justinianaund die Köchin das Haus verließen, waren sie ins Schlafzimmer hinaufgegangen und hatten sich vor dem Einschlafen geliebt. Und sie hatten sich ein weiteres Mal nach dem Aufwachen geliebt, vor wenigen Augenblicken, im ersten Licht des Morgens. Hinter den schokoladefarbenen Jalousien wurde es rasch hell. In den Straßen war schon das Geräusch von Menschen und Autos zu hören. Bald würden die Hausangestellten zurückkehren. Doña Lukrezia rekelte sich schläfrig. Sie würden ein üppiges Frühstück mit Fruchtsäften und Rührei zu sich nehmen. Am Mittag würden sie und Alfonsito dann zum Flughafen fahren, um ihren Mann abzuholen. Er hatte es ihnen nie gesagt, aber beide wußten sie, daß Don Rigoberto entzückt war, wenn er sie beim Aussteigen aus dem Flugzeug erblickte und sie ihm mit hoch erhobenen Händen zuwinkten; daher bereiteten sie ihm dieses Vergnügen, sooft sie nur konnten.
»Also dann weiß ich jetzt, was das heißt, ein abstraktes Bild«, überlegte das Kind, ohne das Gesicht vom Kissen zu heben. »Ein unanständiges Bild! Das hätte ich nie geahnt, Stiefmutter.«
Doña Lukrezia drehte sich zur Seite und rückte an ihn heran. Sie legte die Wange auf seinen glatten, wie Rauhreif schimmernden Rücken, der nicht die kleinste Spur von Fett aufwies und auf dem sich, wie eine winzige Gebirgskette, kaum sichtbar die Wirbelsäule abzeichnete. Sie schloß die Augen, und ihr war, als hörte sie die langsame Bewegung des frühreifen Blutesunter dieser elastischen Haut. ›Da pulsiert das Leben, das lebendige Leben‹, dachte sie voll Entzücken.
Seitdem sie und das Kind sich zum ersten Mal geliebt hatten, waren ihre Skrupel und das Schuldgefühl verschwunden, die sie vorher so gequält hatten. Es war an dem Tag nach der Geschichte mit dem Brief und seinen Selbstmorddrohungen passiert. So unverhofft, daß es Doña Lukrezia unmöglich schien, wenn sie daran zurückdachte, als hätte sie es nicht erlebt, sondern geträumt oder gelesen. Don Rigoberto hatte sich gerade zu seiner abendlichen Hygiene-Zeremonie im Badezimmer eingeschlossen, und sie war, in Morgenmantel und Nachthemd, hinuntergegangen, um Alfonsito wie versprochen gute Nacht zu sagen. Das Kind sprang aus dem Bett, ihr entgegen. Die Arme um ihren Hals geschlungen, suchte es ihre Lippen und streichelte schüchtern ihre Brüste, während beide über ihren Köpfen wie eine Hintergrundmusik Don Rigoberto hörten, der mit falschen Tönen eine Operettenarie trällerte, zu der sich kontrapunktisch der Wasserstrahl des Waschbeckens vernehmen ließ. Und plötzlich spürte Doña Lukrezia etwas Streitbares, Männliches, das sich gegen ihren Körper drängte. Es war ein unbezwingbarer Affekt gewesen, stärker als ihr Instinkt für Gefahr. Sie ließ sich auf das Bett gleiten, während sie gleichzeitig den Kleinen an sich zog, sanft, als fürchtete sie, ihn zu zerbrechen. Sie schlug den Morgenmantel auseinander, schob das Nachthemd hoch, brachte ihn in die richtige Positionund führte ihn mit ungeduldiger Hand. Sie hatte gewahrt, wie er sich mühte, keuchte, sie küßte, sich bewegte, ungeschickt und zerbrechlich wie ein kleines Tier, das Laufen lernt. Sie hatte gewahrt, wie er, kurz darauf, mit einem Seufzer fertig wurde.
Als sie in das Schlafzimmer zurückkehrte, war Don Rigobertos Toilette noch nicht beendet. Doña Lukrezias Herz war ein entfesselter Trommelwirbel, ein blinder Galopp. Sie fühlte Erstaunen über ihre Verwegenheit und – sie konnte es kaum fassen – Verlangen, ihren Mann zu umarmen. Ihre Liebe zu ihm war stärker geworden. Auch die Gestalt des Kindes war da, in ihrer Erinnerung, und rührte sie an. War es möglich, daß sie es geliebt hatte und
Weitere Kostenlose Bücher