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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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meiner Liebespartner hat sich je beklagt, es gewesen zu sein. Die einen wie die anderen danken mir, daß ich sie in den raffinierten Kombinationen des Grauens und des Begehrens unterwiesen habe, aus denen sich Lust gewinnen läßt. Bei mir haben sie gelernt, daß alles erogen ist und sein kann, daß noch die niedrigste Körperfunktion, selbst die des Unterleibes, sich vergeistigt und veredelt, wenn sie mit der Liebe verbunden ist. Der Tanz der Partizipien, den sie mit mir tanzen – rülpsend, urinierend, scheißend –, begleitet sie danach wie eine melancholische Erinnerung an vergangene Zeiten, an den Abstieg in den Schmutz (eine Sache, die alle reizt und die so wenige wagen), den sie in meiner Gesellschaft unternommen haben.

    Die größte Quelle meines Stolzes ist mein Mund. Es stimmt nicht, daß er weit aufgerissen ist, weil ich vor Verzweiflung schreie. Ich halte ihn offen, um meine weißen, scharfen Zähne zu zeigen. Würden sie nicht jedermanns Neid erregen? Mir fehlen gerade nur zwei oder drei. Die anderen sind wohlerhalten, kräftig und blutgierig. Wenn es sein muß, zermalmen sie Steine. Aber sie weiden sich lieber an Brust und Hinterteilen von Kälbern, schlagen sich lieber in Brüstchen und Schenkel von Hennen und Kapaunen oder in die Kehlen kleiner Vögel. Fleisch zu essen ist ein Vorrecht der Götter.
    Ich bin weder unglücklich, noch möchte ich Mitleid erregen. Ich bin, wie ich bin, und das genügt mir. Zu wissen, daß andere schlimmer dran sind, ist natürlich ein großer Trost. Es ist möglich, daß Gott existiert, aber hat das in diesem Augenblick der Geschichte, nach allem, was uns zugestoßen ist, irgendeine Bedeutung? Die Welt hätte womöglich besser sein können, als sie ist? Ja, vielleicht, aber warum sich diese Frage stellen? Ich habe überlebt und gehöre, dem äußeren Schein zum Trotz, der menschlichen Gattung an.
    Schau mich genau an, mein Liebling. Erkenne mich, erkenne dich.

10.
Knollenförmig und sinnlich
    »Es war einmal ein Mann, der klebte an einer Nase«, rezitierte Don Rigoberto und begann mit dieser poetischen Anrufung die Donnerstags-Zeremonie. Dabei fiel ihm José María Eguren ein, der zierliche Wolkenkuckucksheimpoet, der das Wort »Nase« als phonetisch vulgär empfand, es französierte und in seinen Gedichten durch nez ersetzte.
    War seine Nase sehr häßlich? Das kam darauf an, durch welches Glas man sie betrachtete. Sie war rund und adlerhaft gebogen, ohne Minderwertigkeitskomplex, neugierig auf die Welt, sehr empfindlich, knollenförmig und ornamental. Don Rigobertos Pflege und Vorsorge zum Trotz wurde sie dann und wann von einer Schar Mitesser entstellt, aber nach dem Spieglein zu urteilen, war diese Woche nicht ein einziger erschienen, den es auszudrücken, auszutreiben und danach mit Wasserstoffperoxid zu desinfizieren galt. Durch eine unerklärliche Laune der Haut zeigte ein guter Teil der Nase, vor allem am unteren Ende, wo sie sich krümmte und zu zwei Fenstern öffnete, einen roten Schimmer von der Farbe alten Burgunders, wie er den Trinker verrät. Aber Don Rigoberto trank ebenso maßvoll, wie er aß, so daß diese Röte nach seinemDafürhalten ihren Grund nur in den willkürlichen Einfällen und Anwandlungen der Dame Natur haben konnte. Es sei denn – das Gesicht des Ehemannes von Doña Lukrezia verzog sich zu einem breiten Lächeln –, seine empfindliche Riesennase erröte in steter Erinnerung an die libidinösen Verrichtungen, denen sie im ehelichen Bett nachging. Don Rigoberto sah, daß die beiden Öffnungen seines Atmungsorgans sich sogleich verengten, im Vorgefühl jener Samenbrisen – ›emulgierende Wohlgerüche‹, dachte er –, die in Kürze dort hindurchwehen und ihn bis ins Mark durchdringen würden. Er fühlte sich matt und dankbar. An die Arbeit also, alles zu seiner Zeit und an seinem Ort: der Moment der Respiration ist noch nicht gekommen, du Filou.
    Er schneuzte sich kräftig in sein Taschentuch, zuerst die eine, dann die andere Seite, wobei er mit dem Zeigefinger jeweils den anderen Nasengang zuhielt, bis er sicher war, daß seine Nase frei war von Schleim und Gewebewasser. Dann, in der linken Hand die Philatelistenlupe, die ihm zur Erkundung der erotischen Postkarten und Stiche seiner Sammlung und für die Feinarbeiten der Körperpflege diente, und in der rechten Hand die Nagelschere, machte er sich daran, seine Nasenlöcher von jenen unästhetischen Härchen zu befreien, die schon wieder ihre schwarzen Köpfchen herauszustrecken

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