Lob der Stiefmutter
öffneten und feierten sie die Geschenke, die er ihr und dem Kind mitgebracht hatte (das tat er bei jeder Reise): Cremespeise, gebackene Bananenscheiben und zwei feine Strohhüte aus Catacaos. Danach aßen alle drei zu Abend, wie eine glückliche Familie.
Das Paar zog sich früh in das Schlafzimmer zurück. Don Rigobertos Waschungen fielen kürzer aus als sonst. Als die Ehegatten im Bett wieder zueinanderfanden, umarmten sie sich leidenschaftlich, wie nach einer sehr langen Trennung (in Wirklichkeit waren es gerade nur drei Tage und zwei Nächte gewesen). Sowar es immer, seit sie geheiratet hatten. Aber nach den anfänglichen Tändeleien in der Dunkelheit, als Don Rigoberto, getreu der nächtlichen Liturgie, hoffnungsvoll murmelte: »Fragst du mich nicht, wer ich bin?«, vernahm er dieses Mal eine Antwort, die den stillschweigenden Pakt zwischen ihnen verletzte: »Nein. Frag du mich lieber.« Es entstand eine perplexe Pause, als wäre die Szene eines Films erstarrt. Aber Don Rigoberto, ein Mann von Ritualen, begriff nach ein paar Sekunden und fragte begierig: »Wer, wer bist du, mein Herz?« »Die von dem Bild im Wohnzimmer, von dem abstrakten Bild«, antwortete sie. Wieder folgte eine Pause, ein halb irritiertes, halb enttäuschtes Lachen, ein langes, elektrisch geladenes Schweigen. »Das ist jetzt nicht der Moment, um …«, begann er mahnend. »Ich scherze nicht«, fiel Doña Lukrezia ihm ins Wort und verschloß ihm den Mund mit ihren Lippen. »Ich bin es, und ich weiß nicht, wieso du es noch nicht gemerkt hast.« »Hilf mir, mein Liebling«, sagte er, lebhaft jetzt, wieder auflebend, sich regend. »Erklär es mir. Ich will es verstehen.« Sie erklärte es ihm, und er verstand.
Sehr viel später, nachdem sie geplaudert und gelacht hatten und sich erschöpft und glücklich zur Ruhe begeben wollten, küßte Don Rigoberto bewegt die Hand seiner Frau:
»Wie du dich verändert hast, Lukrezia. Jetzt liebe ich dich nicht nur mit meiner ganzen Seele. Ich bewundere dich auch. Ich bin sicher, daß ich noch viel von dir lernen werde.«
»Mit vierzig lernt man so manches«, verkündete sie, während sie ihn streichelte. »Manchmal, Rigoberto, wie jetzt zum Beispiel, scheint mir, daß ich von neuem geboren werde. Und daß ich nie sterben muß.«
Bestand sie darin, die Souveränität?
12.
Liebeslabyrinth
Am Anfang wirst du mich nicht sehen noch verstehen, aber du mußt Geduld haben und schauen. Mit Beharrlichkeit und ohne Vorurteile, mit Freiheit und Begehren: schauen. Mit weitgespannter Phantasie, das Geschlecht bereit – wenn möglich, im Anschlag –, schauen. Hier tritt man ein wie die Novizin ins geschlossene Kloster oder der Liebhaber in die Grotte der Geliebten: entschlossen, ohne kleinliche Berechnungen, alles gebend und nichts fordernd, in der Seele die Gewißheit, daß es für immer ist. Nur unter dieser Bedingung wird das maulbeerfarbene und violette Dunkel der Oberfläche ganz allmählich in Bewegung geraten, schillern, einen Sinn bekommen und sich entfalten als das, was es in Wirklichkeit ist: ein Liebeslabyrinth.
Die geometrische Figur im mittleren Streifen, genau im Zentrum des Bildes, dieser flache Aufriß, der an einen dreibeinigen Dickhäuter gemahnt, ist ein Altar, ein Opferstein oder, wenn du gegen den religiösen Symbolismus allergisch bist, eine Theaterdekoration. Gerade ist eine erregende Zeremonie zelebriert worden, voll köstlicher, grausamer Nachklänge, und was du siehst, sind ihre Spuren und ihre Folgen. Ich weißes, denn ich war das glückliche Opfer; auch die Anregerin, die Schauspielerin. Die roten Flecken an den Beinen des sintflutlichen Wesens sind mein Blut und dein Sperma, hervorgequollen und geronnen. Ja, mein Herz, was auf dem Opferstein ruht (oder auf der prähispanischen Dekoration, wenn dir das lieber ist), dieses schleimige Wesen mit malvenfarbenen Wunden und dünnen Häuten, mit schwarzen Höhlungen und Drüsen, aus denen es grau eitert, das bin ich. Versteh mich recht: ich, von innen und von unten gesehen, in dem Augenblick, da du mich ausglühst und auspreßt. Ich, explodierend und mich verströmend unter deinem Blick, dem aufmerksamen libertinen Blick des Mannes, der wirksam sein Amt zelebriert hat und sich jetzt der Kontemplation und der Philosophie hingibt.
Denn du bist auch da, mein Herzallerliebster. Du schaust mich an, als seziertest du mich, Augen, die schauen, um zu sehen, und ein wacher Alchimistengeist, der phosphoreszierende Rezepte der Lust ersinnt. Der dort
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