Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
Vom Netzwerk:
vortreffliches Mittel; sie daher, alldieweil sie ganz sanft reden, erheben unversehens die Stimme zu einem ganz rasenden Geschreie, wo sie es doch nicht im geringsten nötig hätten. Man würde einen Eid ablegen, daß der Mensch, der nur schreit, damit er schreie, der Nießwurz benötigt wäre.
    Sie haben gehört, mit dem Fortgange der Rede müsse die Stimme sich erheben; nun, beim Anfange jedes Teiles der Rede sind sie ziemlich gelassen; bald aber fängt die Stimme gewaltig zu lärmen an, wenn sie auch die frostigsten Dinge von der Welt sagen; und allemal beim Ende sinken sie so, daß man meinen sollte, von Atem sei nichts mehr in ihnen. Endlich haben sie bei den Redekünstlern gelernt, daß auch das Lachenmachen eine Kunst sei; sie sind daher auch beflissen, etwas Scherzhaftes einzumischen; aber, o huldreiche Venus! wie grazienmäßig, wie schicklich! ists nicht gerade so, wie da der Esel sich als Lautenschlager hervortun wollte. Ja, bissig sind sie etwann auch; doch so, daß sie mehr kitzeln, als verwunden; wenn sie sich recht Mühe geben, frei von der Brust zu reden, so erweisen sie sich als leibhafte Schmeichler. Kurz, ihr ganzes Betragen ist so, daß man schwören sollte, sie haben Marktschreier zum Muster gewählt, können aber dasselbe bei weitem nicht erreichen; doch sind sie in gewissem Verstande einander so ähnlich, daß niemand zweifelt, diese haben von jenen, oder jene von diesen, die Redekunst erlernt.
    Bei allem dem müssen sie mir es verdanken, daß sie Zuhörer haben, die glauben, sie besitzen an ihnen mehr, als sie an einem Demosthenes oder Cicero würden besessen haben. Hierher gehören insonderheit Krämer und Weiber, denen die gedachten Redner vorzüglich die Ohren zu kitzeln trachten; denn die Erstern lassen ihnen etwann, für das besänftigende Schmeicheln, etwas weniges von ihrem zusammenbetrogenen Vermögen zukommen; und die Letztern sind, unter vielen andern Ursachen, diesem Orden besonders darum gewogen, weil sie den Grollen, den sie wider ihre Ehemänner haben, in den Schoß desselben auszuschütten pflegen. Man müßte also blind sein, wenn man nicht sähe, wie tief diese Art von Menschen bei mir in der Schuld sei, da sie durch kleine Zeremonien, lächerliche Possen und kein kleines Geschrei, die Sterblichen gewissermaßen beherrschen und sich mehr als ein Paulus und Antonius zu sein einbilden. Genug aber von diesen Marktschreiern, die meine Wohltaten so undankbar verkennen und sich auf eine ruchlose Weise für fromm ausprahlen.
    Es hat mich schon seit langem gelüftet, etwas von Königen und Hofleuten, die sich offenherzig für meine Verehrer angeben, nach Recht und Billigkeit zu berühren. Wenn sie auch nur eine halbe Unze gesunden Menschenverstandes hätten: was könnte traurigers und fliehenswürdigers sein, als ihr Los? Nein, derjenige wird sich gewiß nicht durch Meineid und Vatermord auf einen Thron schwingen wollen, der bei sich erwogen hat, welch eine Last auf den Schultern dessen liege, der die Rolle eines Fürsten ehrlich zu spielen gedenkt. Wer am Steuerruder sitzt, hat für das Allgemeine, nicht das Eigentümliche zu sorgen; auf jenes muß er alle seine Gedanken wenden; von Gesetzen, die er selbst gegeben hat und die er handhaben muß, nicht eines Fingers breit abweichen; auf alles Tun und Lassen der Beamten und Richter ein wachsames Auge haben; denken, die Augen aller seien auf ihn gerichtet, wie auf ein günstiges Gestirn; durch ein schuldloses Betragen könne er das Wohlsein der Menschen ungemein befördern; oder durch eine widrige Aufführung gleichsam zu einem verderblichen Kometen werden; wenn andere Leute Fehler begehen, so haben sie nicht so empfindliche und ausgebreitete Folgen; wenn der Fürst auch nur ein wenig von dem guten Weg abweiche, so schleiche sich sogleich eine Sittenpest in die Herzen vieler Menschen ein; die Glücksumstände eines Fürsten führen vieles bei sich, das geschickt ist, vom Guten wegzulocken; zum Exempel Wollust, Freiheit, Schmeichelei, Üppigkeit; er könne nicht genug arbeiten, nicht zu sorgfältig wachen, um nicht irgendwo von seiner Pflicht weggetäuscht zu werden; endlich (um von Hinterlist, Haß, Furcht, Gefahr, nichts zu reden) er habe einen König über sich, der in kurzem Rechenschaft über jeden seiner Fehltritte von ihm fordern werde; und dieses um so viel schärfer, je größer die ihm anvertraute Herrschaft gewesen.
    Ja, wenn der Fürst dieses, und vieles dergleichen bei sich erwägen wollte (und erwägen würd er es, wenn er

Weitere Kostenlose Bücher