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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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heischer gewordene Stimme berufen; ein Anderer wird erweisen, daß er sich durch sein einsames Leben die Schlafsucht zugezogen habe; ein Anderer wird seine durch stetes Schweigen starrgewordene Zunge hervorstrecken.
    Christus, um diesem sonst nie zu Ende kommenden Geprahle abzuhelfen, wird fragen, woher dieses neue Judengeschmeiß entstanden sei? »Nur ein einziges Gesetze«, wird er sagen, »erkenne ich für das meinige; und nur von diesem hör ich nichts; ehedem versprach ich deutlich, ohne es in Parabeln zu hüllen, mein väterliches Erbe, nicht dieser oder jener Kappe, diesem oder jenem Gebetlein, noch dem Fasten, sondern der Liebtätigkeit; ich kenne die nicht, die von ihren Taten zu groß denken; diese, die das Ansehen haben wollen, als ob sie mich an Heiligkeit überträfen, mögen, wenn es ihnen beliebt, den Himmel der Abraxasianer beziehen; oder sich von denen, deren Legenden sie meinen Geboten vorgezogen haben, einen neuen Himmel bauen lassen.« Wenn sie dieses hören und sehen werden, daß man Matrosen und Fuhrknechte ihnen vorziehe, o stellen Sie meine Herren, sichs einmal vor, mit welchen langen Gesichtern werden die Tropfen einander anstarren! Inzwischen sind sie bei ihrer Hoffnung glücklich, mit welcher sie von meiner Gutmütigkeit ausgerüstet worden.
    Wenn diese Geschöpfe gleich von der Republik ausgeschlossen sind, so hat man sie doch nicht zu verachten; sonderlich die Bettelmönche: denn die Beicht hat sie mit den Geheimnissen eines jeden bekannt gemacht. Freilich halten sie es nicht für erlaubt, aus der Schule zu schwatzen; aber, was geschieht nicht, wenn man ein Glas Wein zu viel im Kopfe hat, und zur Ergötzung etwas Lustiges auf die Bahn bringen will? dann aber tragen sie die Sache nur rätselhaft vor und verschweigen die eigentlichen Namen. Wenn jemand hier in das Hornissennest sticht, so wissen sie sich in der ersten der besten Predigt redlich zu rächen; durch gewisse Umstände wissen sie ihren Feind auf eine so versteckte Weise zu schildern, daß nur die ihn nicht erkennen, die ganz und gar nichts begreifen können. Ihr Gebelle nimmt kein Ende, bis man zu dem Mittel des Aeneas greift, der dem Cerberus etwas zum Fressen in den Rachen warf.
    Nein, meine Herren, bei keinem Schauspieler, keinem Marktschreier, würden sie stehen bleiben, wenn sie einen solchen Prediger auftreten sehen. Freilich gibts da possierliche Rednersprünge; sie sind alle den Regeln der Muster in dieser Kunst auf das lieblichste nachgeahmt. O meine Herren! merken Sie dann wohl auf jede Gebärde; wie schicklich ändern die Leute nicht ihre Stimme! ihre Rede ist Gesang; alles an ihnen regt und bewegt sich; niemand versteht besser die Kunst, Gesichter zu schneiden und mit dem durchdringendsten Geschreie die Gewölker erschallen zu machen. Und diese Rednerkunst pflanzt sich als ein Geheimnis durch die Überlieferung von einem Klosterbruder auf den andern fort. Mir freilich, einem Weibe ist die Einsicht in solche Dinge nicht verstattet; ich kann also davon nur so viel sagen, als ich durch Mutmaßung erhaschen könnte.
    Sie vergessen nie, eine Anrufung vorher zu schicken; ein Kunstgriff, den sie den Dichtern abgeborgt haben. Hierauf, wenn sie zum Exempel von der Liebe reden wollen, bringen sie den ägyptischen Nilfluß in den Eingang. Wenn sie von dem Geheimnisse des Kreuzes zu reden haben, so lassen sie den Drachen von Babel feierlich auftreten. Eine Fastenpredigt läßt zuerst die zwölf himmlischen Zeichen in ihrer Ordnung vor dem Gesichte der Zuhörer vorbei ziehen. Bei einer Glaubenspredigt muß ihnen die Quadratur des Zirkels den Eingang eröffnen. Ich habe einen Erznarren (ich irre mich; einen Erzgelehrten wollte ich sagen) gehört, der in einer weltberühmten Predigt an Erklärung des Geheimnisses der göttlichen Dreieinigkeit arbeitete; um seine ungemeine Gelehrtheit auszukramen und theologischen Ohren ein Vergnügen zu verschaffen, schlug er einen nagelneuen Weg ein: er sprach von Buchstaben, Silben, Redeteilen, der Übereinstimmung des Nennworts mit dem Zeitwort, des Hauptworts mit dem Beiworte. Alles war erstaunt und bewunderungsvoll; und Einige murmelten zwischen den Zähnen: was wird zuletzt aus dem verzweifelten Zeuge werden? Endlich leitete er es so ein, daß er in den ersten Grundsätzen der Grammatik das Bild der Dreieinigkeit den Zuhörern so natürlich vor Augen legte, daß man jedem Mathematiker Trotz bieten könnte, es lebhafter in den Staub zu kritzlen. In Verfertigung dieser Rede durchschwitzte der

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