Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
Vom Netzwerk:
superlative Theolog ganze acht Monate, und so, daß keine Schärmaus stockblinder sein kann, als er es heutiges Tages ist: die Geistesspitze zerkratzt ihm die Augenschärfe so ganz erbärmlich. Doch hält der Mann seine Blindheit für keinen Verlust und findet, daß er einen so großen Ruhm um einen Spottpreis eingewuchert habe.
    Ich hörte auch einen andern achtzigjährigen Graubart, der so ganz Theolog war, daß man darauf geschworen hätte, der leibhafte Scotus sei in ihm auferstanden. Um das Geheimnis des Namens Jesus zu erklären, bewies er mit bewunderungswürdiger Scharfsinnigkeit, daß alles, was sich von ihm sagen lasse, bereits schon in den Buchstaben verborgen liege. Weil das Wort nur drei Endungen habe, so sei dieses eine augenscheinliche Darlegung der göttlichen Dreieinigkeit. Ferner, in den drei Endungen dieses Namens (nämlich Jesus, Jesum und Jesu) seien die drei letzten Buchtstaben: S, M, und U; hierin liege das unaussprechliche Geheimnis, er sei Summus, Medius und Ultimus; der Anfang, die Mitte und das Ende. Noch war ein viel verworreneres Geheimnis, als es irgend ein mathematisches Problem sein könnte, zu entwickeln: Er zeigte, wie das aus fünf Buchstaben bestehende Wort Jesus durch den mittlern, ein S, in zwei gleiche Teile getrennt werde; nun werde bei den Hebräern dieser Buchstabe Syu genannt; und Syu bedeute (wenn ich nicht unrecht habe) in der schottländischen Sprache so viel als Sünde; folglich sei es sonnenklar, Jesus sei der, welcher die Sünden der Welt wegnehme.
    Ein so nagelneuer Eingang zeugte bei jedermann, insonderheit den Theologen, eine so staunende Bewunderung, daß man bald hätte denken sollen, sie seien gleich der Niobe zu Steine geworden; mir aber wär es beinahe wie dem Priapus gegangen, als er den nächtlichen Gebräuchen der Canidia und Sagana zusah; da war es ihm nicht mehr wie ehedem, als er noch ein feigenbäumener Klotz gewesen; nun konnt er erschrecken; die Wirkung des Schreckens aber schall und roch, zu seinem Glücke, den bösen Weibern so wirksam in Ohren und Nasen, daß sie über Hals und Kopf die Flucht ergriffen.
    Über einen solchen Erfolg ist sich nicht zu verwundern; denn, bei Griechen und Römern, einem Demosthenes oder Cicero, würde man sich vergeblich nach einem solchen Einschmeichlungseingange umsehen. Eine sich von der Sache entfernende Vorrede hielten sie für einen Fehlschluß. Wirklich auch lehrt die Natur ganz andere Dinge; sogar ein Schweinshirt, der bei der Natur zu Schule gegangen ist, macht so wenig Umschweife, daß er lieber sogleich mit der Tür ins Haus fallen will. Diese Gelehrten hingegen halten ihr Präambulieren alsdann erst für feinrhetorisch, wenn es mit dem Gegenstande ihrer Rede nicht in der geringsten Verwandtschaft steht und die Zuhörer einander zuflüstern: wo wird der Kerl zuletzt noch hingeraten?
    Drittens berühren sie nur wie beiläufig und obenhin, gleichsam nur erzählungsweise, etwas aus dem Evangelium; und doch wär es ihre Pflicht gewesen, sich einzig bei der Erklärung desselben aufzuhalten. Viertens fangen sie wieder eine ganz andere Rolle an, und nehmen eine Theologalfrage vor die Hand, die sich auf das vorhergehende so schicklich wie eine Faust auf das Auge reimt; denn auch dieses halten sie für kunstmäßig. Nun fängt der Theolog sich erst recht zu brüsten an; er betäubt die Ohren der Zuhörer mit seinen solennen, subtilen, subtilsten, seraphischen, heiligen, irrefragablen Lehren, und was dergleichen prächtige Töne mehr sein mögen. Darauf prahlen sie ihre Syllogismen, Vordersätze, Hintersätze, Folgerungen, Corollarien, frostige Voraussetzungen und mehr als scholastische Possen, dem dummen Pöbel vor.
    Nun ists noch um den fünften Aufzug zu tun, in dem man sich als einen ganzen Meister dargeben muß. Hier ziehen sie ein närrisches und dummes Märchen, ich weiß nicht aus was für einem Historienspiegel oder aus Abenteuern der Römer hervor, das sie sodann allegorisch, tropologisch und anagogisch behandeln. Und auf diese Weise bringen sie ein Wundergeschöpfe zu Stande, das weit lustiger anzusehen ist als jenes, welches Horaz, gleich anfangs seiner Dichtkunst, vorzuspiegeln betrachtet hat. Weil sie, ich weiß nicht von wem, gehört haben, man müsse die Rede sanft und ohne Geschrei anfangen, so sind sie anfangs so leise, daß sie sich selbst nicht hören; als ob sie Dinge sagen müßten, die niemand verstehen dürfe. Man hat ihnen etwann gesagt, um die Leidenschaften rege zu machen seien Ausrufe ein

Weitere Kostenlose Bücher