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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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angeführte Stelle zu beziehen, ließ sich wirklich von niemanden als von der Narrheit erwarten; der Apostel hatte was ganz anders im Sinn als ihm hier angeträumt wird; in diesen Worten ist es ihm nicht darum zu tun, daß man ihn für närrischer als Andere halten solle, sondern er sagt: »Sie sind Diener Christi, und auch ich bin es«; und sich gleichsam rühmend, daß er den übrigen nicht nur gleich sei, sondern sie diesorts noch übertreffe, setzt er hinzu, »Noch mehr als sie«. Damit man aber nicht denken möge, er sage dieses aus Stolze, verwahrt er sich durch den Zusatz, er habe töricht geredet. »Als ein Unweiser (spricht er) sag ich es«, denn bekanntermaßen haben die Narren das Vorrecht, Dinge zu reden, an denen man sich aus ihrem Munde nicht ärgert.
    Was Paulus, da er das obige geschrieben, bei sich gedacht habe, überlaß ich diesen Herren, es auszufechten. Ich trete in die Fußstapfen der großen, fetten, dicken und den meisten Beifall erhaltenden Theologen; denn (beim Jupiter!) ein großer Teil der Lehrer will lieber mit diesen irre gehen als mit jenen griechischen, lateinischen und hebräischen Dreizünglern den richtigen Weg einschlagen. Auf ihre Reden achtet man so wenig als auf ein Krähengewäsch; insonderheit da ein ruhmvoller Theolog [1] (dessen Namen ich mit Vorbedacht verschweige, damit nicht eine griechische Krähe das »der Esel bei der Leier« spöttisch ausrufe) diese Stelle theologisch-meisterhaft erklärt. Mit den Worten »als ein Unweiser sag ich es; ich bin es mehr als sie« fängt er ein neues Kapitel an; und mit einem dialektischen Meisterzuge fügt er einen neuen Abschnitt bei; und dieses auf folgende Weise, dabei ich seine eigenen Worte nicht nur formaliter sondern auch materialiter anführen will: »Als ein Unweiser sag ich es«, das ist, wenn ich euch als Narr vorkomme, indem ich mich den falschen Aposteln an die Seite setze, so werdet ihr mich noch für närrischer halten, daß ich ihnen den Weg ablaufe. Aber bald darauf fällt der gute Mann, der kein eisenmäßiges Gedächtnis haben muß, auf etwas ganz anders.
    Aber, was hab ich nötig, mich ängstlich auf ein einzelnes Beispiel zu berufen? Die Theologen haben sich ja augenscheinlich das Recht verschafft, den Himmel, das ist die heilige Schrift, wie der Schuster das Leder auszudehnen. Beim Paulus widersprechen sich gewisse Worte der Schrift, die sich an den Stellen, daraus sie gezogen sind, nicht widersprechen; wenn man den fünfzüngigen (griechisch, lateinisch, hebräisch, chaldäisch und dalmatisch redenden) Hieronymus Glauben zustellen kann. Zum Exempel, der Apostel sah in Athen die Aufschrift eines Altars; er verdreht sie zum Behufe des christlichen Glaubens; indem er alles das wegläßt, was seiner Sache hätte nachteilig sein können, und nur diese Worte »dem unbekannten Gott« und zwar auch geändert, anführt; die ganze Aufschrift lautete also: »Den Göttern von Asia, Europa und Afrika, den unbekannten und fremden Göttern.« Nach diesem Beispiele, wie mich deucht, richten sich unsre heutigen Theologen; hier und da klauben sie vier oder fünf Wörtchen zusammen, und auch diese, wenn es nötig ist, drehen sie so lang herum, bis sie dabei ihren Vorteil finden, wenn gleich das Vorhergehende und Folgende nichts dazu hilft, oder ihm wohl gar gerade widerspricht. Dieses tun sie mit einer so glücklichen Unverschämtheit, daß oft die Rechtsgelehrten auf die Theologen eifersüchtig werden.
    Worin sollt es ihnen jetzt nicht gelingen? Jener große Theolog (bald hätt ich ihn wieder genannt, wenn der Esel bei der Leier mich nicht nochmals abgeschreckt hätte) hat ja aus einigen Worten des Lucas eine Meinung herausgeleiert, die mit dem Sinne Christi so verträglich ist, wie das Feuer mit dem Wasser. Da sich die äußerste Gefahr näherte, eine Zeit, in welcher getreue Anhänger sich am geflissensten erweisen, ihren Gönnern beizustehen und nach bestem Vermögen auf ihrer Seiten zu streiten, da fragte Christus seine Jünger, die er lehren wollte, sich auf keine solche äußerlichen Verteidigungsmittel zu verlassen, ob sie je an etwas Mangel gehabt haben, da er sie ohne Reisegeld ausgesandt hatte; da sie weder mit Schuhen zur Verteidigung wider Dornen und Steine, noch mit einem Reisesack und Nahrungsmittel zur Abtreibung des Hungers versehen gewesen. Nein, sagten sie, nie hatten wir Mangel. Jetzt aber, sprach er, wer einen Beutel und Sacke hat, nehm ihn; und wer kein Schwert hat, kaufe eines, wenn er gleich deswegen seinen

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