Lob der Torheit
ungelehrter Apostel bedienend; denen er fleißig Narrheit empfiehlt, sie von der Weisheit abschreckend, indem er ihnen Kinder, Lilien, Senfkörner, Sperlinge zum Muster der Nachahmung anpreist; dumme und verstandlose Geschöpfe, die bloß durch den natürlichen Instinkt, ohne Kunst und Sorge fortdauern. Er will, daß sie sich nicht darum bekümmern sollen, was sie von den Großen der Welt reden wollen; er verbietet ihnen, den Zeiten und ihren Veränderungen nachzuforschen, damit sie sich in nichts auf eigene Klugheit sondern ganz auf ihn verlassen mögen.
Gott, der Baumeister der Welt, verbietet den ersten Menschen, von dem Baume der Erkenntnis nur das geringste zu kosten; gerade als ob dieses für die Glückseligkeit ein Gift wäre. Paulus spricht deutlich, daß das Wissen etwas Aufblähendes und Schädliches sei. Bernhardus, wenn ich mich nicht irre, nahm ihn zum Muster, da er den Berg, den Lucifer nach seiner Meinung zu seinem Wohnsitze gewählt, den Berg der Erkenntnis nennt. Vielleicht verdient auch dieses zum Beweise angeführt zu werden, daß die Narrheit bei den Himmelsbewohnern in Gunst stehe: man beruft sich auf sie, wenn man Verzeihung wegen eines Fehlers erhalten will; der Weise weiß wohl, daß er nicht Vergebung finde, wenn er etwas verfehlt hat; und was tut er im solchem Falle? er gibt vor, daß er sich gleich einem Narren betragen habe. Wenn Aaron (wenn ich mich recht erinnere, im vierten Buch des Moses) die Sünde seines Weibes abbittet, so spricht er: »Ich bitte dich, mein Herr, rechne uns diese Sünde nicht zu, die wir töricht begangen haben.« Auch Saul bittet den David also um Vergebung: »Es liegt ja klar am Tage, daß ich töricht gehandelt habe.« David selbst trachtet sich also bei Gott einzuschmeicheln: »Ich bitte dich, Herr, nimm das Verbrechen von deinem Knechte weg, denn wir haben töricht getan«, als ob er keine Vergebung hätte erhalten können, wenn er nicht Narrheit und Unwissenheit vorgeschützt hätte.
Das Überzeugendste ist dieses: da Christus am Kreuze für seine Feinde bat, sprach er: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.« Ihre Unklugheit hält er für ihre beste Entschuldigung. Also schrieb Paulus an den Timotheus: »Gott erwies sich mir barmherzig, weil ich es im Unglauben unwissend tat.« Was heißt das »unwissend« anders, als er habe es aus Narrheit und nicht aus Bosheit getan? Und sieht man hier nicht zugleich, nur unter dem Schutze der Narrheit sei ihm Barmherzigkeit widerfahren? Auch dient hierher die Stelle (ich führe sie aus Vergeßlichkeit etwas spät an) des mystischen Psalmdichters: »Gedenke nicht der Übertretungen meiner Jugend und meiner Unwissenheiten.« Haben Sie es bemerkt, meine Herren, daß er seine Jugend vorschützt, die mich zur steten Gefährtin hat, und seine Unwissenheiten, wo die gebrauchte mehrere Zahl die Größe seiner Torheit andeutet.
Damit ich mich nicht ins Unendliche vertiefe, will ich nur überhaupt dieses sagen: Es scheint wirklich, die christliche Religion stehe mit der Narrheit in einer Art von Verwandtschaft und vertrage sich mit der Weisheit ganz und gar nicht. Wie! man verlangt Beweise hierüber? Hier sind sie: Erstlich; Kinder, Greisen, Weiber, Blödsinnige haben vorzüglich ein Vergnügen an kirchlichen Gebräuchen und Zeremonien; sie drängen sich stets am nächsten zu den Altären; und zwar bloß durch einen Naturtrieb. Anbei waren die ersten Stifter der Religion wunderbare Freunde der Einfalt und geschworne Feinde der Gelehrtheit. Endlich gibt es keine dümmern Stocknarren als die, in denen die Flamme der christlichen Frömmigkeit lichterloh brennt; sie werfen ihr Geld reichlich aus, achten keine Beschimpfung, lassen sich betrügen, machen keinen Unterschied zwischen Freunden und Feinden, verabscheuen die Wollust, mästen sich mit Fasten, Wachen, Weinen, Arbeiten, Krümmungen; sind des Lebens überdrüssig, wünschen sich nichts als den Tod; kurz, es scheint, selbst der gemeine Menschenverstand könne keinen Eindruck mehr in sie machen; es ist, als ob sich ihr Geist um eine andere Herberge umgesehen und seinen Leib verlassen habe. Und was ist dieses anders als Wahnsinn? Nein, es ist sich eben nicht groß darüber zu verwundern, daß es schien, die Apostel seien voll süßen Weins; und daß es den Richter Festus deuchte, Paulus rase.
Da es mir einmal geglückt ist, mich, gleich jenem Esel, in der Löwenhaut sehen zu lassen, so will ich es wagen, auch dieses zu behaupten: die Glückseligkeit der
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