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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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verweile, deren es so unzählbar gibt, daß sie in den tausend von dem Chrysippus und dem Didymus geschriebenen Bänden nicht Raum finden konnten. Nur dieses möcht ich mir ausgebeten haben: da man es jenen Meistergelehrten nicht übel nimmt, wenn sie zuweilen einen Fehlschluß tun, so hoff ich, man werde für mich auch, deren theologische Einsichten noch auf sehr schwachen Füßen stehen, Nachsicht haben, wenn ich nicht alles haarklein abgezirkelt habe.
    Endlich komm ich wieder auf den Paulus. Indem er von sich selbst redet, spricht er: »Ihr pflegt die Toren mit Geduld zu ertragen – nehmt auch mich als einen Toren an – ich rede nicht nach Gott, sondern wie in Torheit – wir sind Narren um Christi Willen.« Man hat gehört, wie der große Mann zum Lobredner der Narrheit wird. Ja, öffentlich fordert er zur Narrheit auf, als zu der notwendigsten und heilsamsten Sache: »Wer unter Euch weise zu sein scheint, der werde ein Narr, damit er weise werde.« Beim Lucas werden zween Jünger, zu denen Jesus sich auf dem Wege gesellt, von ihm Narren genannt. Noch mehr verwundere ich mich darüber, daß Paulus das Herz hat, Gott selbst etwas von Narrheit zuzuschreiben: »Gottes Narrheit ist besser als der Menschen Weisheit.« Der Ausleger Origines will nicht, daß man diese Narrheit der Meinung der Menschen beilege; wie auch nicht die Stelle: »Das Wort des Kreuzes ist Narrheit bei denen, die verloren gehen.«
    Warum bemühe ich mich aber, die Sache ängstlich durch so viele Zeugnisse zu unterstützen? In den mystischen Psalmen sagt Christus gerade heraus zum Vater: »Dir ist meine Torheit bekannt.« Es geschieht nicht von ungefähr, daß Gott an den Narren ein so herzliches Wohlgefallen hat; die Ursache wird wohl diese sein: Bei den größten Fürsten sind die, welche allzuklug und scharfsichtig sind, verdächtig und verhaßt; also traute Cäsar dem Brutus und Cassius nicht, setzte aber kein Mißtrauen in den nassen Bruder Antonius; Nero konnte den Seneca nicht leiden; Dionysius den Plato nicht. Hingegen machen ihnen die Dickköpfigen und Unweisen ein großes Vergnügen. Gleicherweise verabscheut und verdammt Christus durchgehends jene Weisen, die sich auf ihre Klugheit was Großes einbilden. Paulus gibt es deutlich zu verstehen, wenn er sagt: »Was närrisch vor der Welt ist, das hat Gott gewählt – es hat Gott gefallen, durch Narrheit die Welt zu erhalten«; die Welt, die durch Weisheit nicht zu verbessern war. Ja, Gott selbst spricht durch den Mund des Propheten: »Ich will die Weisheit der Weisen verderben, und die Klugheit der Klugen zernichten.« Auch hat Christus Gott gedankt, daß er das Geheimnis des Heils den Weisen verborgen, und den Unmündigen (nach der Kraft der Grundsprache, den Narren) geoffenbart habe, die er den Weisen entgegensetzt.
    Hierher gehört auch, daß Christus in dem Evangelium durchgehends, den Pharisäern, Schriftgelehrten und Gesetzerklärern, den Krieg ankündigt, und hingegen den ungelehrten Pöbel in seinen Schutz nimmt; denn das »wehe euch schriftgelehrten Pharisäern« wird zuletzt anders nicht sagen wollen, als »wehe euch Weisen«. Kindern, Weibern, Fischern war er vorzüglich gewogen.
    Unter den Tieren gefielen ihm die vorzüglich, welche von der Klugheit des Fuchses am weitesten entfernt sind. Er wählte sich einen Esel bei seinem Einzuge und hätte sich, wenn es ihm beliebt hätte, eben so sicher dazu eines Löwen bedienen können. Der heilige Geist kam in der Gestalt einer Taube herab, nicht eines Adlers oder Geiers.
    Ferner nimmt die heilige Schrift oft Gleichnisse von Hirschen, Rehen und Lämmern her. Die zur Unsterblichkeit Auserwählten werden Schafe genannt; nun gibts nichts dümmers als dieses Tier; und schon beim Aristoteles steht ein Schafskopf in keinem großen Ruhme. Christus schämt sich nicht, für den Hirten einer solchen Herde gehalten zu werden; und Johannes bezeugt, daß es ihm gefallen habe, wenn man ihn ein Lamm nannte, »siehe das Lamm Gottes.« Und so wird er im Buche der Offenbarung oft betitelt.
    Was heißt alles dieses anders, als die Menschen, auch die Frommen, seien Narren? Christus, um der Narrheit der Sterblichen zu Hilfe zu kommen, da er die Weisheit des Vaters war, habe selbst etwas von dieser Art mit des Menschen Natur angenommen, da er in seinen Gebärden als ein Mensch erfunden worden? So wie er auch um der Sünde abzuhelfen, zur Sünde geworden; und abhelfen wollte er ihr bloß durch die Torheit des Kreuzes; sich auch nur dummer und

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