Lobgesang auf Leibowitz
annehmen, daß der Krieg einen Tag, nachdem er begonnen worden war, beendet wurde, und daß Hannegan alle Landstriche und Völker vom Red River bis zum Rio Grande unter seine Botmäßigkeit gebracht habe.
All das hatte man vorausgesehen, doch nicht die zusätzlichen Nachrichten.
Hannegan II., von Gottes Gnaden Bürgermeister, Vizekönig von Texarkana, Verteidiger des Glaubens und höchster Vaquero der Ebenen, hatte veranlaßt, den Päpstlichen Nuntius, nachdem er Monsignore Marcus Apollo als schuldig des »Verrats« und der Spionage befunden hatte, zu hängen und ihn dann noch lebend abzuschneiden, um ihn auszudärmen, zu vierteilen und zu schinden, als Warnung an alle, die versuchen sollten, den Staat des Bürgermeisters zu untergraben. Der Leichnam des Priesters war in Stücken den Hunden vorgeworfen worden.
Der Bote mußte dem kaum hinzufügen, daß Texarkana durch päpstlichen Erlaß mit unbedingtem Kirchenbann belegt worden war; ein Erlaß, der gewisse verhüllte, aber unheilverkündende Anspielungen an das Regnans in Excelsis machte, eine Bulle des sechzehnten Jahrhunderts, die die Absetzung eines Herrschers befahl. Bis jetzt gab es noch keine Nachrichten über Gegenmaßnahmen Hannegans.
In den Ebenen würden sich jetzt die Truppen Laredos an den Nomadenstämmen vorbei zurück nach Hause durchschlagen müssen, nur um an ihrer eigenen Grenze ihre Waffen niederzulegen, da ihr Volk, ihre Familien wie Geiseln gehalten wurden.
»Eine traurige Geschichte!« sagte Thon Taddeo in erkennbar aufrichtigem Ton. »Wegen meiner Staatsangehörigkeit erkläre ich mich bereit, sofort abzureisen.«
»Wieso?« fragte Dom Paulo. »Ihr billigt doch nicht etwa Hannegans Vorgehen?«
Der Gelehrte zögerte, schüttelte dann seinen Kopf. Er blickte sich über die Schulter um, ob sie auch ja niemand belausche. »Ich selbst verdamme es. Aber in der Öffentlichkeit…« Er zuckte mit den Achseln. »Ich muß an das Kollegium denken. Wenn es nur um meinen eigenen Kopf ginge, nun…«
»Ich verstehe.«
»Darf ich Euch im Vertrauen sagen, was ich denke?«
»Selbstverständlich.«
»Jemand sollte New Rome davor warnen, leere Drohungen zu machen. Hannegan schreckt nicht davor zurück, einige Dutzend Marcus Apollos zu kreuzigen.«
»So werden einige neue Märtyrer in den Himmel aufgenommen werden. New Rome macht keine leeren Drohungen.«
Der Thon seufzte. »Ich wußte, daß Ihr das so auffassen würdet, aber ich erneuere mein Anerbieten, abzureisen.«
»Dummes Zeug! Ganz gleich, welcher Staatsangehörigkeit, Eure allgemeine Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht macht Euch uns willkommen.«
Eine Kluft hatte sich jedoch aufgetan. Danach blieb der Gelehrte mit seiner Begleitung zusammen und ließ sich selten auf ein Gespräch mit den Mönchen ein. Seine Beziehung zu Bruder Kornhoer wurde merklich gezwungen, obwohl der Erfinder jeden Tag ein oder zwei Stunden dabei verbrachte, den Dynamo und die Lampe zu warten und zu überprüfen. Er hielt sich auch auf dem laufenden, was den Fortgang der Arbeit des Thon betraf, die jetzt mit ungewöhnlicher Eile fortschritt. Die Offiziere wagten sich selten vor den Gästebau.
Es gab Anzeichen eines Auszugs aus der Gegend. Aus den Ebenen kamen immer wieder beunruhigende Gerüchte. Im Dorf Sanly Bowitts fingen die Leute an, Gründe zu erfinden, plötzlich zu einer Pilgerreise aufzubrechen oder Besuche in anderen Ländern abzustatten. Selbst die Landstreicher und Bettler machten, daß sie aus der Stadt kamen. Wie gewöhnlich waren die Kaufleute und Handwerker vor die unangenehme Wahl gestellt, entweder ihr Hab und Gut Einbrechern und Plünderern zu überlassen, oder zu bleiben und mit anzusehen, wie es geplündert wurde.
Eine Bürgerabordnung unter Führung des Bürgermeisters der Siedlung besuchte die Abtei und suchte um Asyl für die Einwohner der Stadt im Falle einer Invasion nach. »Mein letzter Vorschlag«, sagte der Abt nach einigen Stunden des Feilschens, »ist folgender: wir lassen alle Frauen, Kinder, Kranken und Alten ein, ganz ohne Frage. Aber was waffenfähige Männer anbetrifft, werden wir jeden Fall einzeln prüfen, und einige von ihnen könnten wir wohl wegschicken.«
»Warum?« wollte der Bürgermeister wissen.
»Das dürfte doch selbst Euch klar sein!« sagte Dom Paulo hart. »Wir können selbst angegriffen werden; aber solange wir nicht direkt angegriffen werden, wollen wir versuchen, uns rauszuhalten. Ich lasse es nicht zu, daß irgend jemand diesen Ort als Garnison benutzt, um
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