Lobgesang auf Leibowitz
einen Gegenangriff loszulassen, wenn der Angriff sich einzig und allein gegen das Dorf richtet. Also im Fall der waffenfähigen Männer werden wir auf einer Zusage bestehen müssen – die Abtei unter unserer Befehlsgewalt zu verteidigen.
Und wir werden in jedem einzelnen Fall entscheiden, ob eine Zusage glaubwürdig ist oder nicht.«
»Das ist ungerecht!« brüllte ein Mitglied der Abordnung. »Ihr wollt die ausschließen, die…«
»Nur die, denen wir nicht trauen können. Warum die Aufregung? Habt ihr gehofft, hier Ersatztruppen verstecken zu können? Nun, wir gestatten das nicht. Ihr werdet hier draußen nicht den kleinsten Teil der Bürgerwehr verbergen. Mein letztes Wort.«
Unter den Umständen konnte die Abordnung kein Angebot der Hilfe zurückweisen. Der Streit war zu Ende. Dom Paulo hatte vor, jedermann einzulassen, wenn es soweit wäre, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt wollte er allen Plänen des Dorfes, die Abtei in die militärischen Vorbereitungen mit einzubeziehen, zuvorkommen. Später würden Offiziere aus Denver mit ähnlichen Ansuchen kommen. Sie würden weniger daran interessiert sein, Leben zu retten, als ihr politisches System zu retten. Er hatte vor, ihnen eine ähnliche Antwort zu erteilen. Die Abtei war als Festung des Glaubens und des Wissens erbaut worden, und er hatte die Absicht, sie als solche zu erhalten.
Die Wüste begann vor Wanderern aus dem Osten zu wimmeln. Händler, Fallensteller und Hirten brachten auf ihrem Gang nach Westen Nachrichten aus den Ebenen mit. Die Rinderpest breitete sich wie eine Feuersbrunst unter den Herden der Nomaden aus. Eine Hungersnot schien nahe bevorzustehen. Die Truppen Laredos hatten sich seit dem Sturz der laredanischen Herrscherfamilie in Aufruhr gespalten. Ein Teil von ihnen kehrte wie befohlen in ihre Heimat zurück, während die anderen mit dem finsteren Schwur aufbrachen, nach Texarkana zu marschieren und nicht anzuhalten, bis sie den Kopf Hannegans II. hätten oder über dem Versuch den Tod fänden.
Durch die Spaltung geschwächt wurden die Laredanier von den Überraschungsangriffen der Krieger des Wilden Bären völlig vernichtet, die nach Rache an denen dürsteten, die die Rinderpest gebracht hatten. Es hieß gerüchtweise, daß Hannegan großmütig angeboten hatte, das Volk des Wilden Bären unter seine Schutzbefohlenen und Untertanen aufzunehmen, wenn sie der »zivilisierten« Rechtsordnung Lehnstreue schwörten, seine Offiziere in ihre Ratsversammlungen einließen und den christlichen Glauben annähmen. »Unterwerft euch oder hungert« war die Wahl, vor die Schicksal und Hannegan die Hirtenvölker gestellt hatten. Viele würden es vorziehen zu hungern, als einem Bauern-und Händlerstaat die Treue zu versprechen. Von Hongan Os erzählte man, er widersetze sich und tobe durch den Süden, den Osten und bis in den Himmel hinauf. Letzteres erreichte er dadurch, daß er jeden Tag einen Schamanen verbrannte, um die Stammesgötter dafür zu bestrafen, daß sie ihm untreu geworden waren. Er drohte, ein Christ zu werden, wenn ihm die Christengötter helfen würden, seine Feinde hinzuschlachten.
Während der kurzen Rast einer Gruppe von Hirten geschah es, daß der Dichter verschwand. Thon Taddeo war der erste, der seine Abwesenheit vom Gästebau bemerkte und nach dem fahrenden Verseschmied fragte.
Dom Paulos Gesicht legte sich in überraschte Falten. »Seid Ihr sicher, daß er ausgezogen ist?« fragte er. »Er verbringt oft einige Tage im Dorf, oder geht hinüber zur Mesa, um sich mit Benjamin zu streiten.«
»Seine Sachen sind weg«, sagte der Thon. »Aus seinem Zimmer ist alles verschwunden.«
Der Abt verzog ironisch den Mund. »Wenn der Dichter fortgeht, ist das ein schlechtes Anzeichen. Übrigens, sollte er wirklich fort sein, so rate ich Euch, sofort Eure eigenen Sachen auf ihre Vollzähligkeit zu überprüfen.«
Der Thon wurde nachdenklich. »Dann sind meine Stiefel also…«
»Zweifelsohne.«
»Ich hatte sie vor die Tür gestellt, um sie putzen zu lassen. Sie wurden nicht zurückgebracht. Das war am selben Tag, als er versuchte, meine Türe einzuschlagen.«
»Einzuschlagen – wer, der Dichter?«
Thon Taddeo lachte leise. »Ich fürchte, ich habe mir mit ihm einen kleinen Scherz erlaubt. Ich habe sein Glasauge. Erinnert Ihr Euch an die Nacht, als er es auf dem Tisch im Refektorium ließ?«
»Ja.«
»Ich habe es an mich genommen.«
Der Thon öffnete eine Tasche, kramte einen Augenblick darin herum und legte dann den Augapfel des
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