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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Probe zu stellen. Nach einiger Darlegung der Erscheinung der Strahlenbrechung des Lichts schwieg er zunächst und sagte dann sich entschuldigend: »Ich hoffe, daß hier nichts dabei ist, was die religiösen Überzeugungen von irgend jemand verletzen könnte.« Dabei blickte er sich spöttisch im Saal um. Als er sah, daß ihre Gesichter neugierig und freundlich blieben, fuhr er noch eine Weile fort und bat dann um Fragen aus der Gemeinschaft.
    »Würdet Ihr auch eine Frage vom Podest beantworten?« fragte der Abt.
    »Selbstverständlich«, sagte der Gelehrte und blickte etwas unschlüssig drein, als denke er et tu, Brute.
    »Ich frage mich, welche Bewandtnis es mit der Eigenschaft des Lichts hat, gebrochen zu werden, daß Ihr sie in religiöser Hinsicht für möglicherweise anstößig haltet?«
    »Also…« Der Thon schwieg unbehaglich. »Monsignore Apollo, den Ihr kennt, geriet bei diesem Thema in rechte Erregung. Er sagte, das Licht hätte vor der Flut schlechthin nicht brechungsfähig sein können, da, wie angenommen wird, der Regenbogen…«
    Der Saal brach in brüllendes Gelächter aus und übertönte das Ende der Antwort. Bis der Abt sie durch Handbewegungen zum Schweigen gebracht hatte, war Thon Taddeo rot wie eine Tomate geworden, und Dom Paulo hatte einige Mühe, sein feierliches Gesicht zu wahren.
    »Monsignore Apollo ist ein trefflicher Mensch, ein trefflicher Priester; aber jeder Mensch kann zuweilen zu einem unglaublichen Esel werden, besonders auf fremdem Gebiet. Es tut mir leid, die Frage gestellt zu haben.«
    »Die Antwort erleichtert mich«, sagte der Gelehrte, »ich suche keinen Streit.«
    Es wurden keine weiteren Fragen gestellt. Der Thon ging zu seinem zweiten Gegenstand über: Wachstum und gegenwärtige Vorhaben seines Kollegiums. Das Bild, das er entwarf, schien ermutigend. Das Kollegium wurde von Bewerbern bestürmt, die dort studieren wollten. Das Kollegium hatte sich zur Aufgabe gemacht, zu lehren wie auch zu forschen. Unter den gebildeten Laien wuchs das Interesse an Naturphilosophie und -Wissenschaft. Das Institut wurde großzügig unterstützt. Anzeichen des Aufschwungs und einer Renaissance.
    »Ich sollte hier vielleicht einige wenige der laufenden Forschungsarbeiten und Untersuchungen anführen, die von unseren Leuten durchgeführt werden«, setzte er hinzu. »In Anlehnung an Brets Arbeit über das Verhalten von Gasen untersucht Thon Viche Mortoin die Möglichkeiten der Herstellung künstlichen Eises. Thon Friider Halb sucht nach zweckmäßigen Einrichtungen, um Nachrichten entlang einem Draht mit Hilfe elektrische Wandlungen…« Die Aufstellung war lang, und die Mönche schienen beeindruckt.
    Auf mannigfaltigen Gebieten wurden Untersuchungen angestellt – Medizin, Astronomie, Geologie, Mathematik, Technik. Einige wenige schienen zwecklos und unüberlegt, doch die meisten schienen großen Gewinn für Wissen und praktische Anwendung zu versprechen. Angefangen von Jejenes Suche nach einem wunderbaren Allheilmittel bis zu Bodalks unbekümmertem Angriff auf die traditionelle Geometrie zeigten die Vorhaben des Kollegiums ein kräftiges Verlangen, dem geheimen Buch der Natur sein Geheimnis zu entreißen, das verschlossen war, seit die Menschheit vor mehr als einem Jahrtausend ihr institutionelles Gedächtnis verbrannt und sich selbst zu kulturellem Gedächtnisschwund verurteilt hatte.
    »Neben diesen Untersuchungen leitet Thon Maho Mahh ein Vorhaben, das weiteres Material zur Abstammung der menschlichen Gattung zu bekommen sucht. Da es sich dabei vor allem um ein archäologisches Unterfangen handelt, hat er mich gebeten, eure Bibliothek nach allem möglichen anregenden Material zu durchforsten, wenn ich meine eigenen Nachforschungen hier abgeschlossen habe. Wie dem auch immer, ich tue vielleicht besser daran, hierbei nicht zu lange zu verweilen, da es zu einer Kontroverse mit den Theologen führen könnte. Aber solltet ihr irgendwelche Fragen haben…«
    Ein junger Mönch, der sich auf das Priesteramt vorbereitete, stand auf, und der Thon erteilte ihm das Wort.
    »Herr, ich möchte fragen, ob Euch die Ansichten des heiligen Augustinus zu diesem Thema bekannt sind?«
    »Ich kenne sie nicht.«
    »Er war ein Bischof und Denker des vierten Jahrhunderts. Er meinte, daß Gott im Anfang alle Dinge in ihren Urkeimen erschuf, einschließlich der menschlichen Gestalt, und daß diese Urkeime die formlose Materie gewissermaßen befruchteten – die sich dann schrittweise zu den entwickelteren Formen und

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