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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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des Abts. »Ich hielt es nur für richtig, Euch das hier zu überlassen«, sagte er.
    »Was ist es?«
    »Die Pläne Eurer Befestigungsanlagen. Die, welche von den Offizieren gemacht wurden. Ich rate Euch, verbrennt sie sofort.«
    »Warum habt Ihr das getan«, flüsterte Dom Paulo. »Nach unserm Wortwechsel unten…«
    »Mißversteht mich nicht«, unterbrach ihn Thon Taddeo. »Ich hätte sie Euch auf jeden Fall übergeben – eine Frage der Ehre. Um sie nicht Eure Gastfreundschaft ausnützen zu lassen, um – lassen wir das. Hätte ich Euch die Skizzen auch nur ein bißchen früher übergeben, so hätten die Offiziere Zeit und Gelegenheit genug gehabt, eine neue Sammlung anzulegen.«
    Der Abt stand langsam auf und griff nach der Hand des Gelehrten.
    Thon Taddeo zögerte. »Ich kann Euch in Eurer Sache nichts versprechen…«
    »Ich weiß.«
    »… weil ich denke, daß das, was Ihr hier habt, der ganzen Welt zugänglich sein sollte.«
    »Das ist, war und wird es stets sein.«
    Sie schüttelten sich kühl die Hände, doch wußte Dom Paulo, daß das kein Zeichen irgendeines Waffenstillstandes, sondern lediglich das gegenseitiger Hochachtung zwischen Widersachern war. Vielleicht würde es nie zu mehr kommen.
    Warum muß das alles wieder von vorn beginnen?
    Die Antwort lag auf der Hand. Die Schlange war noch da und flüsterte: Denn Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon esset, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott. Der alte Vater der Lüge war geschickt im Erzählen von Halbwahrheiten: woher soll man wissen, wie das Gute und Böse beschaffen ist, wenn man sie nicht ein wenig ausprobiert hat? Versucht es und seid wie Gott. Doch weder unendliche Kraft noch unendliche Weisheit konnten dem Menschen Göttlichkeit verleihen. Denn dabei müßte ebenso unendliche Liebe mitwirken.
    Dom Paulo ließ den jungen Priester rufen. Es war beinahe an der Zeit zu gehen. Und bald würde ein neues Jahr anbrechen.
     
     
    Es war das Jahr beispielloser Regengüsse in der Wüste, die lange trocken gelegene Samen in Blüten aufbrechen ließen.
    Es war das Jahr, in dem ein Hauch von Zivilisation die Nomaden der Ebenen erreichte, und selbst das Volk von Laredo fing leise davon zu reden an, daß alles vielleicht besser so sei. Rom war anderer Meinung.
    In diesem Jahr wurde einem Abkommen auf Zeit zwischen den Staaten von Denver und Texarkana endgültige Gestalt gegeben. In diesem Jahr wurde es auch gebrochen. Es war das Jahr, in dem der alte Jude wieder zu seiner früheren Berufung als Arzt und Wanderer zurückfand; das Jahr, in dem die Mönche des Albertinischen Ordens des Leibowitz einen Abt begruben und sich vor einem neuen neigten. Man blickte dem Morgen in rosiger Hoffnung entgegen.
    Es war das Jahr, da ein König aus dem Osten geritten kam, um sich das Land zu unterwerfen und zu eigen zu machen. Es war ein Jahr des Menschen.
     

23
     
    Es war unangenehm heiß neben dem sonnenbeschienenen Pfad, der sich an dem bewaldeten Hügel hinzog, und die Hitze hatte den Durst des Dichters schlimmer werden lassen. Es dauerte lange, ehe er seinen Kopf benommen hob und versuchte, sich umzusehen. Das Scharmützel war zu Ende. Alles war ziemlich still, den Reiteroffizier ausgenommen. Die Geier fingen schon an niederzuschweben.
    Einige tote Flüchtlinge lagen da, ein totes Pferd und der sterbende Reiteroffizier, der unter seinem Pferd eingeklemmt war.
    Hin und wieder kam der Kavallerist zu sich und schrie voller Angst. Jetzt schrie er nach seiner Mutter und dann wieder nach einem Priester. Manchmal wachte er auf und rief nach seinem Pferd. Sein Schreien machte die Geier unruhig und verstimmte überdies den Dichter, der sowieso schon mißgelaunt war. Ein sehr niedergeschlagener Dichter. Er hatte von der Welt nie erwartet, daß sie sich höflich, schicklich oder vernünftig aufführen würde, und die Welt hatte das auch selten genug getan. Er war oft mutig gegen die Beständigkeit der Roheit und Dummheit angerannt. Doch niemals zuvor hatte die Welt ihn mit einer Muskete in den Unterleib geschossen. Er fand das gar nicht ermutigend.
    Was noch schlimmer war, er konnte nicht der Dummheit der Welt, sondern nur seiner eigenen die Schuld zuschieben. Der Dichter hatte selbst einen dummen Fehler gemacht. Er war nur mit sich selbst beschäftigt gewesen und hatte sich mit niemandem abgegeben, als er sah, wie die Gruppe Flüchtlinge aus dem Osten auf den Hügel zugaloppierte, dicht gefolgt von einem Trupp berittener Soldaten. Um dem Raufhandel zu

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