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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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aber er starrte nur zur Decke empor und atmete schwer.
    »Bruder Claret?« fragte der Abt leise. »Bruder…«
     
     
    Im Keller stand Thon Taddeo mit leuchtenden Augen. Sie glühten in der wilden Überschwenglichkeit eines Fachgelehrten, der in das Gebiet eines anderen Fachgelehrten eindringt, um dort den ganzen Bereich von seiner Verworrenheit zu befreien. »Also, eigentlich ja«, sagte er als Antwort auf die Frage eines Novizen. »Ich habe hier eine Quelle ausfindig gemacht, die das Interesse Thon Mahos für sich beanspruchen dürfte. Ich bin natürlich kein Historiker, aber…«
    »Thon Maho? Ist das derjenige, der – äh - versucht, die Genesis Lügen zu strafen?« fragte Pater Gault ironisch.
    »Ja, das ist…« Der Gelehrte brach ab und blickte bestürzt auf Gault.
    »Schon gut«, sagte der Priester. »Viele unter uns sehen die Genesis für Allegorie an. Was habt Ihr entdeckt?«
    »Wir sind auf ein vorsintflutliches Bruchstück gestoßen, das eine recht umwälzende Vorstellung nahelegt, so wie ich es verstehe. Wenn ich das Bruchstück richtig deute, so wurde der Mensch nicht eher als kurz vor dem Zusammenbruch der letzten Hochkultur erschaffen.«
    »W-w-wie bitte? Aber wer hat dann die Hochkultur hervorgebracht?«
    »Nicht die Menschen. Sie entfaltete sich zusammen mit einer vorhergehenden Rasse, die während des Diluvium Ignis ausstarb.«
    »Aber die Heilige Schrift reicht Tausende von Jahre vor das Diluvium zurück!«
    Thon Taddeo verharrte in ausdrucksvollem Schweigen.
    »Ihr wollt damit sagen«, ließ sich Gault plötzlich erschrocken vernehmen, »daß wir nicht die Nachkommen Adams sind? Mit der geschichtlichen Menschheit nicht zusammenhängen?«
    »Nicht so hastig! Ich stelle lediglich die Vermutung auf, daß es der vorflutlichen Rasse, die sich Mensch nannte, gelang, Leben zu erzeugen. Kurz vor dem Zusammenbruch ihrer Kultur erschufen sie mit Erfolg die Vorväter dieser jetzigen Menschheit – ›nach ihrem Ebenbild‹ – als Dienerrasse.«
    »Aber selbst wenn Ihr jede Offenbarung vollständig ableugnet, so ist das eine völlig unnötige Komplizierung, verglichen mit der einfachen, allgemeinen Ansicht«, bemängelte Gault.
    Der Abt war leise die Treppe herabgekommen. Auf dem unteren Treppenabsatz blieb er stehen und hörte ungläubig zu. »Das scheint vielleicht nur so«, führte Thon Taddeo aus, »bis man sich überlegt, wie viele Dinge dadurch erklärt wären. Ihr kennt die Sagen von der Großen Vereinfachung. Wie mir scheint, werden sie alle sinnvoller, wenn man die Vereinfachung betrachtet als einen Aufstand einer künstlich erschaffenen Dienerrasse gegen die ursprüngliche Schöpferrasse, wie das die angegebene fragmentarische Quelle nahelegt. Außerdem würde das erklären, warum die jetzige Menschheit den Alten so unterlegen scheint, warum unsere Vorfahren der Barbarei verfielen, als ihre Herren ausgestorben waren, warum…«
    »Der Herr sei diesem Hause gnädig!« rief Dom Paulo und schritt auf die Nische zu. »Vergib uns, Herr, denn wir wissen nicht, was wir taten.«
    »Das hätte ich mir denken können«, brummte der Gelehrte an die ganze Welt gewendet.
    Wie eine Rachegöttin näherte sich der alte Priester seinem Gast. »Wir sind also nichts als Geschöpfe anderer Geschöpfe, mein Herr Philosoph? Geschaffen von minderen Göttern als Gott, und deshalb, versteht sich, alles andere als vollkommen – und selbstverständlich nicht durch unsere eigene Schuld.«
    »Es ist nur eine Vermutung, doch würde sie viel erklären«, sagte Taddeo mit fester Stimme, nicht willens, den Rückzug anzutreten.
    »Und von vielem lossprechen, oder etwa nicht? Der Aufstand der Menschen gegen ihre Schöpfer war dann zweifelsfrei bloß berechtigter Tyrannenmord an den unendlich verruchten Kindern Adams.«
    »Ich habe nicht gesagt…«
    »Herr Philosoph, zeigt mir die erwähnte erstaunliche Stelle!«
    Thon Taddeo durchblätterte geschwind seine Zettel. Das Licht hörte nicht auf zu flackern, weil die Novizen im Drehkreuz angestrengt versuchten zuzuhören. Die kleine Gruppe der Zuhörer des Thon hatte sich in einem Zustand der Sprachlosigkeit befunden, bis der leidenschaftliche Auftritt des Abtes die betäubende Bestürzung der Zuhörer hinwegfegte. Die Mönche flüsterten miteinander. Einige wagten ein Lachen.
    »Hier ist es«, verkündete Thon Taddeo und reichte Dom Paulo einige Blätter mit Aufzeichnungen.
    Der Abt durchbohrte ihn mit einem kurzen Blick und fing an zu lesen. Peinliche Stille herrschte.
    »Ich

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