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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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sagte Dom Paulo zu dem Novizen, der oben auf der Leiter saß. »Und bring dieses Dings da mit dir herunter. Bruder Kornhoer? Bruder Korn…«
    »Er ist gerade in den Lagerraum gegangen, Herr.«
    »Nun, so hol ihn!« Dom Paulo wandte sich wieder an den Gelehrten und überreichte ihm das Schriftstück, das man unter den Habseligkeiten Bruder Clarets gefunden hatte. »Lest das, wenn Ihr es bei Kerzenlicht entziffern könnt, Herr Philosoph!«
    »Ein bürgermeisterlicher Erlaß?«
    »Lest ihn, und erfreut Euch dann Eurer so gepriesenen Freiheit.«
    Bruder Kornhoer schlüpfte in den Raum zurück. Er trug das schwere Kruzifix, das vom Scheitel des gewölbten Ganges entfernt worden war, um der neuen Wunderlampe Platz zu machen. Er gab das Kreuz Dom Paulo.
    »Woher wußtest du, daß ich das jetzt haben wollte?«
    »Ich fand eben, daß es langsam Zeit wurde, Herr.« Er zuckte die Achseln.
    Der alte Mann erstieg die Leiter und hängte das Kreuz wieder an seinem Haken auf. Im Kerzenlicht glänzte der Körper golden auf. Der Abt drehte sich um und sprach zu seinen Mönchen unten. »Wer von nun an in dieser Nische liest, laßt ihn ad Lumina Christi lesen.«
    Als er die Leiter herabstieg, war Thon Taddeo schon dabei, die letzten Papiere in eine große Mappe zu stopfen, um sie später zu ordnen. Er blickte vorsichtig zum Priester hinüber, sagte aber nichts.
    »Ihr habt den Erlaß gelesen?«
    Der Gelehrte nickte.
    »Wenn Ihr auf Grund eines unwahrscheinlichen Zufalls hier politisches Asyl…«
    Der Gelehrte schüttelte den Kopf.
    »Darf ich Euch dann bitten, Eure Bemerkung deutlicher zu fassen, unsere Schriftstücke gehörten in die Hände zuständiger Leute?«
    Thon Taddeo senkte den Blick. »Das habe ich in der Erregung des Augenblicks gesagt, Vater. Ich nehme das zurück.«
    »Ihr habt aber nicht aufgehört, das zu denken. Ihr habt Euch das die ganze Zeit hier gedacht.«
    Der Thon bestritt das nicht.
    »Dann ist es zwecklos, meine dringende Bitte um Eure Vermittlung in unserem Namen zu wiederholen – wenn Eure Offiziere Eurem Vetter berichten, welch vorzügliche Militärgarnison diese Abtei abgeben würde. Aber um seiner selbst willen sagt ihm, daß unsere Vorgänger, wenn unsere Altäre oder die Denkwürdigkeiten bedroht waren, nicht gezögert haben, mit dem Schwert Widerstand zu leisten.« Er schwieg einen Augenblick. »Werdet Ihr heute oder morgen abreisen?«
    »Ich glaube, besser heute«, sagte Thon Taddeo leise.
    »Ich werde anordnen, den Proviant fertig zu machen.« Der Abt wandte sich ab, um zu gehen, hielt aber inne und fügte höflich hinzu: »Aber wenn Ihr zurückkehrt, könntet Ihr Euren Kollegen eine Botschaft übermitteln?«
    »Selbstverständlich. Habt Ihr sie schon aufgesetzt?«
    »Nein. Sagt nur, daß jeder, der hier trotz der dürftigen Beleuchtung forschen möchte, willkommen sein wird. Vor allem Thon Maho. Oder Thon Esser Shon mit seinen sechs Grundbestandteilen. Die Menschen müssen sich eine Zeitlang mit Irrtümern plagen, um sie von der Wahrheit zu sondern, denke ich mir – so lange sie sich nur nicht den Irrtum hungrig einverleiben, nur weil er einen angenehmeren Geschmack hat. Sagt ihnen auch, mein Sohn, daß, sollten die Zeiten kommen – und sie werden bestimmt kommen –, da nicht nur Priester, sondern auch Philosophen sich nach einem Asyl umsehen müssen –, sagt Ihnen, daß unsere Mauern hier draußen dick sind.«
    Dann entließ er die Novizen mit einem Nicken und schleppte sich die Stufen empor, um in seiner Studierstube allein zu sein. Denn das Wüten zerrte wieder an seinen Eingeweiden, und er wußte, daß ihm wieder Qualen bevorstanden.
    Nunc dimittis servum tuum, Domine… Quia viderunt oculi mei salutare…
    Vielleicht werden sie sich diesmal glatt losreißen, dachte er beinahe voller Hoffnung. Er wollte Pater Gault rufen lassen, um ihm zu beichten, aber er entschied dann, daß es besser wäre zu warten, bis die Gäste gegangen waren. Er starrte wieder auf den Erlaß.
    Seine Qual wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen.
    »Kannst du später noch einmal wiederkommen?«
    »Ich fürchte, später werde ich nicht mehr hier sein«, antwortete eine gedämpfte Stimme vom Gang.
    »Ach, Thon Taddeo – kommt nur herein.« Dom Paulo richtete sich auf. Mit fester Hand kämpfte er gegen seinen Schmerz an. Er versuchte nicht, ihn zu unterdrücken, sondern ihn zu zügeln, so wie er einen unbotmäßigen Diener behandelt hätte.
    Der Gelehrte trat ein und legte eine Mappe mit Papieren auf das Pult

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