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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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über ein Ultimatum. Das ist alles, was ich weiß, außer was ich von den Strahlungsmessern erfahre.«
    »Immer noch zunehmend?«
    »Immer noch.«
    »Rufe Spokane an!«
     
     
    Gegen drei Uhr war der staubige Wind gekommen. Der Wind kam über die Mesa und über die kleine Stadt Sanly Bowitts. Er strich über das umliegende Land, lärmend durch das hohe Korn in den bewässerten Feldern, riß Bänder von Flugsand von den unfruchtbaren Kämmen hinter sich her. Er stöhnte in den Steinmauern der alten Abtei und greinte um die Aluminium-und Glaswände der modernen Bauten der Abtei. Er beschmierte die sich rötende Sonne mit dem Staub des Landes und schickte jagende Staubteufel über den Beton der sechsspurigen Autobahn, die die alte Abtei von den modernen Zusatzbauten trennte.
    Auf der Seitenstraße, die vom Kloster durch ein Wohnviertel zur Stadt führte und die an einer Stelle parallel zur Autobahn verlief, blieb ein alter in Rupfen gekleideter Bettler stehen und lauschte auf den Wind. Der Wind brachte das Pochen der Explosionen von Raketenteststarts aus dem Süden. Boden-Weltraum- Interzepter-Raketen wurden von einer Abschußrampe weit jenseits der Wüste auf Ziel-Umlaufbahnen geschossen. Der alte Mann lehnte sich auf seinen Stab und starrte in die schwache rote Sonnenscheibe. Dann murmelte er in sich hinein oder zur Sonne: »Omen, Omen…«
    Eine Gruppe von Kindern spielte im unkrautverwilderten Hof bei einem Schuppen jenseits der Seitenstraße. Ihre Spiele entwickelten sich unter dem stummen, aber alles sehenden Schutz einer knorrigen Negerin, die auf der Veranda hockte und Kraut aus ihrer Pfeife schmauchte und den einen oder anderen tränenüberströmten Spieler mit einem Trostwort oder einem Tadel bedachte, der als klagende Partei vor ihren großmütterlichen Gerichtshof auf die Schuppenveranda kam.
    Eines der Kinder bemerkte den alten Tramp, der auf der anderen Seite der Straße stand, und gleich ging ein Geschrei los: »Guck mal, Mensch, guck mal! Der is der alte Lazar! Die Tante sagt, er is der alte Lazar, der wo von uns’ Herr Jesu aufgeweckt wor’n is! Mensch, guck doch bloß! Lazar! Lazar!«
    Die Kinder rannten an den zerbrochenen Zaun. Der alte Tramp betrachtete sie einen Augenblick lang mürrisch, dann wanderte er weiter die Straße entlang. Ein Stein hüpfte über den Boden vor seine Füße.
    »He, Lazar…!«
    »Die Tante sagt, was der Herr Jesus aufweckt, das bleibt oben! Guck dir bloß den an! Mensch! Der is immer noch hinter dem Herrn Jesus her, der ihn aufgeweckt hat. Die Tante sagt…«
    Wieder hüpfte ein Stein hinter dem Alten her, aber er wandte sich nicht um. Die alte Frau nickte schläfrig. Die Kinder kehrten zu ihren Spielen zurück. Der Staubsturm wurde dichter.
    Jenseits der Autobahn, gegenüber der alten Abtei, sammelte ein Mönch Windproben auf dem Dach eines der Aluminium-und Glasgebäude. Er nahm die Proben mittels einer Saugvorrichtung, die die staubige Luft einsog und den gefilterten Wind an die Öffnung eines Luftkompressors ein Stockwerk tiefer blies. Der Mönch war kein Jüngling mehr, aber er war auch noch nicht in mittleren Jahren. Sein kurzer roter Bart schien elektrostatisch aufgeladen zu sein, denn es blieben Spinnweben und Staubfahnen in ihm hängen; er kratzte ihn ungeduldig von Zeit zu Zeit, und einmal steckte er sogar sein Kinn in die Ansaugöffnung des Schlauches, mit dem Ergebnis, daß er heftig zu murmeln begann und sich danach bekreuzigte.
    Der Motor des Kompressors hustete und erstarb dann. Der Mönch schaltete den Saugapparat ab, schraubte den Gebläseschlauch ab und zerrte das Gerät über das Dach zum Aufzug und in die Kabine. Staubhäufchen hatten sich in den Ecken gesammelt. Er schloß die Tür und drückte auf den Abwärts-Knopf.
    Im Laboratorium im obersten Stockwerk schaute er auf den Kompressorpegel: er zeigte max norm. Der Mönch schloß die Tür, zog seine Kutte aus, schüttelte den Staub heraus, hängte sie an einen Haken und saugte sie mit dem Saugapparat ab. Dann trat er an das tiefe Chromstahlbecken am Ende des Labortisches, drehte den Kaltwasserhahn auf und ließ das Wasser bis zur 200-Krug-Marke ansteigen. Er steckte den Kopf hinein und wuschsich den Schmutz aus Bart und Haaren. Es war ein angenehmes, eiskaltes Gefühl. Tropfend und schnaubend schielte er zur Tür. Es war gerade jetzt ziemlich unwahrscheinlich, daß jemand hereinkäme. Er zog seine Unterhose aus, kletterte in das Becken und setzte sich mit einem fröstelnden Seufzer

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