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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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im umgekehrten Sinn, bemerkte er plötzlich. Wenn Mutter Gaia sich genauso drehte, dann würden die Sonne und andere Drehkulissen im Westen aufgehen und im Osten unter. Die Zeit auf diese Weise umkehren? Sagte der Namensvetter meines Namensvetters: Gehe nicht, o Sonne, gen Gabaon, noch du, o Mond, zum Tale - ein hübscher Trick, fürwahr, und auch in jenen Tagen von Nutzen. Kehr um, o Sonne, et tu, Luna, recedite in orbitas reversas… Er wirbelte weiterhin den Globus im umgekehrten Sinn, als hoffte er, das Abbild der Erde besäße den Chronos der rückläufigen Zeit. Eine Drittelmillion Umdrehungen würde genügend Tage abrollen lassen, um bis ins Diluvium Ignis zurückzukehren. Besser wäre es, einen Motor zu benützen und bis zum Beginn des Menschen zurückzuspulen. Wieder hielt er den Globus mit dem Daumen an. Wieder war die Weissagung willkürlich.
    Aber er blieb in seinem Arbeitszimmer, trödelte herum und fürchtete sich davor, »nach Hause« zu gehen. »Nach Hause«, das war nur jenseits der Autobahn in den Spukhallen der alten Gebäude, in deren Mauern noch immer Steine waren, die einst der zerborstene Zement einer Zivilisation gewesen waren, die vor achtzehn Jahrhunderten gestorben war. Die Autobahn zur alten Abtei hinüber zu überqueren, das war, wie wenn man ein Äon durchquerte. Hier in den neuen Aluminium-und Glasgebäuden war er ein Techniker an seinem Arbeitstisch, und Ereignisse waren nur Phänomene, die man nach ihrem Wie beobachtete, nicht nach ihrem Warum. Auf dieser Seite der Autobahn war der Sturz Luzifers nur eine Schlußfolgerung, die man mit kalten arithmetischen Mitteln aus dem Ticken der Strahlungsmeßgeräte zog, aus dem plötzlichen Ausschlag eines Seismographen. Doch drüben, in der alten Abtei, hörte er auf, Techniker zu sein, dort war er ein Mönch Christi, ein Bücherschmuggler und Einpräger in der Gemeinschaft des heiligen Leibowitz. Dort drüben würde die Frage lauten: »Warum, o Herr, warum?« Aber die Frage war ja bereits gestellt, und der Abt hatte gesagt: »Suche mich auf!«
    Joshua griff nach seinem Stab und machte sich daran, dem Befehl seines Herrn Folge zu leisten. Um nicht Mrs. Grales zu begegnen, benützte er den Fußgängertunnel; jetzt war nicht die rechte Zeit für ein freundliches Schwätzchen mit der zweiköpfigen alten Tomatenfrau.

25
     
    Der Deich der Geheimhaltung war durchbrochen. Mehrere furchtlose Deichwächter wurden von der wilden Flut hinweggespült; die Flut spülte sie direkt aus Texarkana fort und auf ihre Landgüter, wo sie für Kommentare unzugänglich wurden. Andere blieben auf ihrem Posten und versuchten unerschütterlich, neue Lecks zu verstopfen. Doch der Niederschlag bestimmter Isotope im Wind bewirkte ein weltweites Schlagwort, man flüsterte es an Straßenecken und schrie es in den balkendicken Überschriften der Zeitungen: LUZIFER IST GEFALLEN! Der Verteidigungsminister, in makelloser Uniform, perfektem Make-up und mit ungetrübter Gleichmütigkeit, stellte sich wieder einmal der Journalistenclique; diesmal wurde die Pressekonferenz per Fernsehen im Gebiet der ganzen Christlichen Koalition verbreitet.
     
     
    WEIBLICHER REPORTER: Euer Lordschaft wirken erstaunlich ruhig angesichts der Tatsachen. Zwei Verletzungen des internationalen Gesetzes, und beide nach Vertragstext als kriegerische Akte zu bezeichnen, sind vor kurzem geschehen. Ist das Kriegsministerium dadurch denn überhaupt nicht beunruhigt?
    VERTEIDIGUNGSMINISTER: Madam, wie Sie ganz gut wissen, haben wir hier kein Kriegsministerium, wir haben ein Verteidigungsministerium . Und soviel mir bekannt ist, hat sich nur eine Verletzung des internationalen Rechts ereignet. Würden Sie mich mit der zweiten vertraut machen?
    WEIBLICHER REPORTER: Mit welcher sind Sie denn nicht vertraut – der Katastrophe in Itu Wan oder dem Warnschuß über dem Südpazifik?
    VERTEIDIGUNGSMINISTER (plötzlich streng): Sicherlich beabsichtigt Madam keinen landesverräterischen Akt, doch Ihre Frage scheint die absolut unrichtigen asiatischen Beschuldigungen ernst zu nehmen, ja sie sogar zu unterstützen, wonach das sogenannte Itu-Wan-Unglück das Resultat eines Atomwaffentests unsererseits und nicht der anderen Seite sei!
    WEIBLICHER REPORTER: Und wenn das so ist, dann ersuche ich Sie, mich ins Gefängnis werfen zu lassen. Meine Frage beruht auf einem Bericht aus den nahöstlichen Neutralstaaten, der besagte, das Itu-Wan-Unglück sei die Folge eines Atomtests der Asiaten, eines unterirdischen Tests, der

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